Dies ist der dritte und vorerst letzte Gastartikel von Markus. Hier findet ihr den ersten Teil. Und hier den zweiten Teil.
Ich möchte mich bei Markus vorab nochmal recht herzlich für seine Mühe bedanken. Ich habe alles wirklich gerne gelesen und mich sooo oft wiedergefunden 😉
Auch Danke an die Kommentatoren beim zweiten Artikel und die andere Sichtweise (Kuma, kritiker, Stephan, Harald usw.) ich habe alle gelesen und Markus ebenso. Sowas ist mir persönlich immer willkommen auch wenn es vielleicht meinem Ansatz (oder dem von Markus) widerspricht.
Zum dritten Teil:
Anders handeln, als der Mainstream – Erfolgsfaktoren für hohe Sparquote
Wenn man die Leute fragen würde, ob finanzielle Freiheit/Unabhängigkeit für sie ein erstrebenswertes Ziel wäre, würden mutmaßlich die meisten zustimmen. Aber wenn man dann erklärt, was dafür nötig ist, sind viele schon wieder raus. Denn sind wir mal ehrlich, das Einkommen ist oft nicht das Problem. Sonst hätten ja irgendwie alle, die über 5.000€ Nettoeinkommen haben, auch ein hohes Vermögen automatisch. Was ja oft nämlich nicht der Fall ist, denn das Geld wird fleißig ausgegeben und der Lebensstandard steigt: Immer das neuste Handy, neues Auto, größere Wohnung usw., ihr kennt das Spiel.
Daher hier 4 Faktoren, die bei mir für eine hohe Sparquote gesorgt haben.
Haushaltsbuch bzw. kenne deine Ausgaben
Seit ich 22 Jahre bin, also schon viele Jahre, führe ich eine Excel-Tabelle mit all meinen Ausgaben. Also ein Haushaltsbuch. Jeder Euro, jeder Cent wird erfasst. Das ist wie Zähneputzen einfach zur Routine geworden. Wäre aber für mich nicht mehr unbedingt nötig. Aber es macht mir auch irgendwie Spaß, auch wenn‘s vielleicht schräg ist. Klingt für die meisten zwar wahrscheinlich nervig, ist glaube ich aber für die meisten am Anfang einer der wichtigsten Punkte. Nur wenn du weißt, welche Ausgaben man wirklich wo hat, kann man auch sagen bzw. planen, wie viel man sparen möchte.
Frugalismus
Wie in meinem Kommentar in Mad‘s Artikel erwähnt, lebe ich wahrscheinlich etwas frugalistisch. Wichtig finde ich zu sagen, ich hatte nie das Gefühl, etwas zu vermissen.
Erstes Thema was mir direkt einfällt:
Konsum von Dingen. Mit meinem ersten Job bereits in der Ausbildung, habe ich mir einmal alles angeschafft was ich so haben wollte: Fernseher, Auto Ford Fiesta für damals 6000€, neues Iphone 4, ein paar Möbel, PlayStation3, Kleinigkeiten. Dann hatte ich irgendwann alles was ich so haben wollte bzw. brauchte. Danach gab nur noch sehr selten große neue Anschaffungen. Konsum war also nie so meins bzw. ich habe das schnell mit Anfang 20 abgelegt und es hatte mir auch nie viel gegeben. Also wozu immer neue Dinge anschaffen, wenn ich doch so zufrieden bin?
Bei mir ist es sogar irgendwie gegenteilig: Vor einigen Jahren habe ich mir mal eine Liste angelegt und führe sie bis heute, wo ich teure Anschaffungen eintrage, mit Datum und Preis: z.B. neues Handy, eine teure Jacke, neues Notebook. Sowas halt. Ab und an schaue ich mir diese Liste an und freue mich darüber, wie lange ich bereits diese Dinge benutze und sie immer noch gut finde. Ich bin irgendwie stolz drauf, wenn ich mit einem 5 Jahre alten Iphone SE immer noch super happy bin, auch wenn ich manchmal dann so Kommentare bekomme, ob mein Iphone aus der Steinzeit wäre. Ich mag mein kleines Mini-Iphone halt.
Dann das Thema Freizeitgestaltung.
Vielleicht kennt jemand den Begriff des „abnehmenden Grenznutzen“. Das beschreibt ja, je öfter man etwas macht, umso weniger gibt einem das etwas Positives. Geht man z.B. einmal im Monat in ein Restaurant, ist es etwas Besonderes und ich freue mich darauf. Mache ich das jeden Tag, ist es nichts Außergewöhnliches mehr und man freut sich nicht mehr so sehr darüber, es ist „normal“ geworden. Also warum soll ich dann andauernd ins Restaurant gehen, wo doch die positive Erfahrung immer weiter abnimmt? Und das kann man auf so viele Dinge übertragen. Daher mache ich zwar gerne Ausflüge/ Unternehmungen, Cafe Besuche, Restaurantbesuche usw., aber nicht jeden Tag, sodass es etwas Schönes und Besonderes für mich bleibt. Außerdem gibt es viele Dinge, die ich sehr gerne mache, die wenig oder gar kein Geld Kosten, z.b.:
- Spazieren gehen
- Fahrradausflug
- Sport machen
- Spieleabend
- Einfach Familie/Freunde zuhause empfangen oder besuchen fahren
Drittes Thema: Die kleinen Dinge im Alltag. Denn irgendwie sind es wahrscheinlich die kleinen Dinge, die es in der Summe ausmachen:
- Hauptsächlich Leitungswasser trinken
- Den Eisbecher zuhause aus dem Eispott mit den Früchten aus Muttis Garten zaubern, anstatt im Eiscafé kaufen
- Lieber Kiosk Bier am Wasser statt teure Getränke in Bar/Club
- Bis ins Jahr 2020 sponsored Prepaid (Netzclub) mit 200MB kostenlosen Datenvolumen, also 10 Jahre keinen Cent für mobiles Internet bezahlt
- Fahrrad, Öffis oder zu Fuß statt Taxi oder Uber abends
- Immer für die Arbeit Essen dabei haben, statt Kantine oder Bäckerei
- auf Ausflügen oder dergleichen immer Trinkflasche mit Wasser dabei haben, anstatt teure Getränke unterwegs kaufen
- Payback Punkte sammeln und Punkte-Aktionen nutzen
- Fast immer zuhause kochen, gesund und lecker; ich habe bisher einmal im in meinem Leben Essen nach Hause bestellt (Lieferando) und da hatte ich einen Gutschein; habe aber mit Freunden schon mal mit bestellt, was aber auch sehr selten passiert
- Lieber ein paar Meter laufen und etwas weiter weg parken, anstatt direkt vor der Türe und Parkgebühren bezahlen
Um ein paar Sachen zu nennen, die mir gerade eingefallen sind.
Ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich vor 10 Jahren noch viel mehr darauf geachtet habe, nicht so viel Geld auszugeben, was sich mit den Jahren schon deutlich gebessert hat und ich nicht mehr jeden Euro hinterfrage. Trotzdem fällt es mir immer noch schwer, mir „etwas zu gönnen“. Den Spruch „Gönn dir doch mal was“ habe ich schon oft zu hören bekommen. Und was genau soll das sein? Ich denke, wenn man sich über viele Jahre einen Lebensstil angewöhnt hat, kann man den nicht von jetzt auf gleich ablegen. Vor allem, wenn man eigentlich nicht unglücklich ist und nichts vermisst. Denn ich bin zufrieden, so wie es ist.
Selten alleine gewohnt – WG-Life
Ein großer Faktor sind natürlich die Wohnkosten. Eine große Wohnung ist natürlich schön, aber wie ich finde auch ein gewisser Luxus, den man sich oft gerne leistet. Ich habe dagegen sehr viele Jahre auf kleinem Wohnraum gelebt, sprich die meiste Zeit über in einer WG bzw. habe mir fast immer Wohnraum geteilt. Damit halt auch die Kosten. Ich habe zusammengenommen fast 9 Jahre in WGs gelebt. Ich weiß, WG-Leben ist nicht jedermanns Sache, aber ich persönlich fand meine WG-Zeit (fast) immer sehr bereichernd und für mich haben stets die Vorteile überwogen. Mir wurde aber auch oft gesagt, dass ich mega Glück mit meinen Mitbewohnern hatte. Das stimmt wohl auch.
Fahrrad statt Auto
Ich fahre schon mein Leben gerne Fahrrad. Bei Wind und Wetter. Sodass ich, obwohl ich ein Auto besaß, fast jeden Weg mit dem Rad gemacht habe. Es gab Zeiten, da musste ich mich quasi zwingen, mein Auto ab und an zu bewegen, damit die Batterie nicht schlapp machte und es noch ansprang. Das führte dazu, dass ich es relativ schnell ab gab und dadurch seit gut 10 Jahren kein Auto mehr habe und dadurch viel Geld gespart habe. Was wieder irgendwie im krassen Gegensatz zum durchschnitts Deutschen ist. Denn oft ja noch gilt: Des deutschen liebstes Kind – das Auto. Und ein Auto verursacht halt oft hohe Kosten: Versicherung, Steuern, Tanken, TÜV, Inspektion, Reparaturen, Unterstellmöglichkeit (Garage/Stellplatz in einer Großstadt kostet schnell mal 150€ im Monat) – ihr wisst was ich meine. Wenn man natürlich etwas außerhalb oder auf dem Land wohnt, sieht das natürlich anders aus, keine Frage. Ich muss dazu sagen, dass ich mir ab und zu das Auto meiner Eltern leihe (sie fahren es nur noch selten, da nicht mehr berufstätig). Denn ganz ohne ist manchmal schwierig, zugegeben. Hätte ich diese Option nicht, gäbe es ja noch Carsharing, Autovermietung oder ich hätte mir evt. doch bereits wieder ein Auto gekauft.
Fazit: Ist das jetzt alles in der Summe extrem? Vielleicht ein wenig. Keine Ahnung. Entspreche ich dem allgemeinen Mainstream? Eher nicht. Aber ich denke, wenn man andere Ergebnisse erzielen möchte als der Durchschnitt, muss man halt auch irgendwas anders machen als die Anderen. Das ist glaube ich Fakt, oder?
FIRE und dann? – Weiter Arbeiten?
Eigentlich geht es immer nur um den Weg, wie man FIRE, die finanzielle Unabhängigkeit/ Freiheit erreichen kann. Ganz selten liest oder hört etwas, wie es danach weitergehen soll und wie das Leben dann konkret aussieht. Das ist nämlich eine Frage, die mich schon einige Monate lang umtreibt. Aktuell fühlt es sich so an, als ob sich das Finanzen-Game fast durchgespielt hätte.
Denn wenn ich so weiter mache und mein Leben keine dramatischen Wendungen nimmt, erreiche ich mein Ziel, die 800k relativ bald, in wenigen Jahren. Und dann?
Füße hoch und Cocktails trinken den ganzen Tag? Nee, das wäre definitiv nichts für mich. Heute kann ich sagen, dass ich eigentlich ziemlich gerne arbeite und mir nicht vorstellen kann, komplett aufzuhören. Heute würde ich sagen, dass mir ohne Arbeit bzw. eine konkrete Aufgabe einfach viel zu langweilig wäre und das Arbeiten gehen, viel mehr ist als nur Geld verdienen. Vielleicht kennt jemand den Film „Man lernt nie aus“, einer meiner Lieblingsfilme, wo ein Rentner, der alles in seiner Freizeit schon probiert hat, wieder als Praktikant arbeiten geht. Hier erkenne ich mich irgendwie wieder. Irgendwann hat man alle Hobbys ausgiebig praktiziert, alles im Haus sortiert und in Ordnung gebracht, jeden Freund öfters besucht usw. Oft behaupten Menschen, die ich schon mal gefragt habe, was sie den ganzen Tag tun würden, wenn sie morgen nicht mehr arbeiten müssten: Ja das wäre überhaupt kein Problem und sie könnten sich ohne Probleme den ganzen Tag beschäftigen. Aber eine richtig konkrete Antwort bekommt man meistens nicht, wie der Tag gestaltet würde. Weil es auch nicht einfach zu beantworten ist, finde ich. Viel Reisen kommt ab und an als Antwort noch. Allerdings muss man entweder alleine reisen oder einen Partner oder Freunde haben, die auch viel Zeit haben, um zu reisen oder halt remote arbeiten zu können. Ich reise zwar auch gerne, habe oft schon nach einer kurzen Zeit Heimweh und kann mir ein Leben nur auf Reisen schwer vorstellen.
Für mich sehe für verschiedene Optionen wenn ich FIRE erreicht habe und weiter arbeiten möchte:
- In irgendein Teilzeitmodell gehen, bei mir in der Firma, obwohl ich in meinem aktuellen Job eigentlich nicht unbedingt weiter arbeiten möchte.
- Etwas ganz Neues machen, evt. sogar eine neue Berufsausbildung. Hier schwebt mir der Berufs des Gärtners vor (passt einfach gut zur Imkerei)
- Kurs Ausbildung zum Rettungssanitäter (Dauer 4 Monate Vollzeit) – Habe da viel Gutes gehört und vor allem ist hier die Wertschätzung eine ganz andere.
- Imkerei ausbauen und quasi selbständig sein – Ist in der Saison aber schon ziemlich anstrengend. Viel Honig wiegt halt einfach viel und ist schwer. Außerdem habe ich bereits festgestellt, wenn man etwas unter „Zwang“ machen muss und nicht mehr nur Hobby ist, verliert es doch sehr an Reiz und Spaßfaktor, auch wenn man es sehr gerne macht.
Vielleicht hat ja die Community hier eine Idee? Ich bin für Vorschläge immer offen!
Wo genau mein Weg hin geht, kann ich selber aktuell überhaupt nicht sagen. Mal sehen, was die Zeit bringen wird.
Hey Markus,
Sehr coole Gastartikel.
Zu deiner Frage:
Kannst du eventuell programmieren? Oder hast Lust, es zu lernen?
Dann könntest du diverse kleine Softwareprojekte starten und deine Zeit so füllen.
Ein ehemaliger Arbeitskollege von mir geht aktuell komplett in der Programmierung seiner Heimautomatisierung auf, neben seinem Job.
Oder schau dir Mad an, der jetzt in der SEO-Agentur mitmacht.
Bei mir ist es der Blog, das Programmieren und bissl Coaching.
Am Besten ist, du hörst mal in dich rein, was macht dir Spaß, was kannst du.
Da findet sich sicher etwas.
Wichtig ist nur: es darf dann nicht zum Zwang / Muss werden, denn dann macht es keinen Spaß mehr.
Liebe Grüße,
DerFinanznomade
Hallo Markus,
vielen Dank für deine Offenheit. Ich lese sehr gern andere Wege. Das zeigt die Diversität von Frugalismus, beruflichen Karrieren, privaten Entscheidungen und nicht zuletzt FIRE.
Ich persönlich sehe viele Dinge deutlich anders als du. Vorab: diese können sich in der Zukunft sicher noch deutlich ändern und wir liegen ggf. gar nicht so weit auseinander.
Ich bin 35, mein Depot liegt bei ca. 330k€. Gehalt liegt bei ca. 75k aktuell, meine Ausgaben liegen bei etwa 1.800€ im Monat, inkl. Urlaubs- und PKW-Rücklagen. Habe zwischenzeitlich auch in einer WG gewohnt, aktuell bin ich mit meiner Frau in einer knapp 200m² großen (Miet-)Wohnung untergekommen. Autos benötigen wir auch – für weites Pendeln zur Arbeit, Hobbies, Urlaub in ganz Europa und Heimfahrten zur Familie.
Der für mich größere Unterschied ist wohl aber, dass ich keine Erfüllung in Erwerbsarbeit sehe. In meinem aktuellen Job mag ich mein Team, meine Aufgaben, bin weder unter- noch überfordert, bin fair bezahlt. Und trotzdem:
Ich sitze regelmäßig im Büro (zu Hause oder in der Firma), schaue aus dem Fenster und ärgere mich, den Tag nicht anderweitig nutzen zu können. Ich bin weit davon entfernt, Profisportler zu sein, aber bin super gern mit dem Rad oder in Laufschuhen in der Natur. Häufig mit meiner Partnerin oder Freunden, gern aber auch mal allein:
Wie weit kann ich eigentlich laufen? Wie viele Höhenmeter kann ich an einem Tag schaffen? Wie weit kann ich aus eigener Kraft mit dem Rad fahren? Anfangs war es das Trainieren auf einen Halbmarathon, im Laufe der letzten Jahre ist daraus für mich viel mehr geworden.
Mir fehlt aktuell als Berufstätiger die Zeit, Sozialleben, Sport, weitere Hobbies und Beziehung gut unter einen Hut zu bekommen. Ich habe letztes Jahr das erste Mal Stunden reduziert, bzw. eine Stelle mit 35h angenommen statt die höher dotierte Stelle mit 40h. War für mich ein ziemlicher Gewinn an Lebensqualität. Ich denke, dass mein Sweet Spot bei ca. 20h Arbeit pro Woche und 8 Wochen / 40 Tage Urlaub im Jahr liegen dürfte.
Einerseits freue ich mich, wenn jemand glücklicher ist bei seiner Arbeit als ich. Andererseits finde ich es schade, wenn jemand weniger glücklich ist als ich bei der Gestaltung der Freizeit…
Hi @Kevin,
so ähnlich wie dir geht es mir auch. Wie kommst du mit zwei Autos und einer 200qm Mietwohnung auf 1800 Ausgaben pro Monat? 🙂
10 Jahre habe ich ebenfalls super sparsam gelebt und auch von der Einnahmenseite stehe ich sicherlich auf der Sonnenseite, aber meine 70qm Wohnung kostet schon fast 1500€. Und mittlerweise ist das im Großraum Berlin schon günstig.
Grüße
Chris
Mein Problem bei FIRE ist hauptsächlich, dass man seine besten Jahre verleben und haushalten muss wie ein „Bürgergeldler“, um danach dann finanziell „unabhängig“ weiter zu leben, wie selbiger, weil das Vermögen zwar ziemlich groß ist, aber eben nicht so groß ist, es richtig krachen zu lassen. Daher stellt sich ja bereits zu Beginn die Frage, warum überhaupt FIRE?
Mittlerweile ist für mich der deutlich bessere Ansatz, gut genug zu verdienen, um genug zu investieren UND „gut“ zu leben; klar kann man für die Dänemarkreise auch nen Polo mieten; man kann aber auch n Mark drauf legen und fährt dann aber deutlich schöner und bequemer mit dem A6 als Leihwagen. Die gesunde Mitte ist auch hier deutlich erfüllender, mMn.