Dividenden Blog

1. September 2021

Der Markt regelt einen Scheiß

Aktuell sehe ich mich keiner politischen Richtung verortet.

Vor ein paar Jahren hätte ich noch gesagt: Im Zweifel Links. Aber zumindest in Deutschland ist „links“ sein heute auch was anderes als es mal war. Stichwort Lifestyle Linke: fahren die Kids im SUV zur Kita, fliegen in den Urlaub und kaufen zum Greenwashing nur Bio und machen nen Veggie Day .. klassische Grünen Wähler. Mit „Die Linke“ kann ich nichts anfangen da die genau so populistisch daher kommen wie die AFD .. aja die AFD .. da wird mir schon schlecht wenn ich die Hackfressen nur den Mund auf machen und wenn Weidel oder Storch loslegen .. naja so viel kotzen kann kein Mensch.

Die Mitte ist mir zu konservativ und im Falle der CDU/CSU in den letzten Jahren zu korrupt (Masken Deals, Scheuer Maut, Aserbaidschan Deals usw.), was die SPD für ne Agenda hat ist mir schleierhaft.

Bliebe die FDP.

Grundsätzlich finde ich liberale und progressive Ideen gut und das Wahlprogramm liest sich nicht schlecht. Allerdings kenne ich die FDP aus den letzten 25 Jahren so: Viel nettes Zeugs erzählen, dann aber prima Lobby Arbeit für Wirtschaft und Industrie. Wähler? Uuups die haben wir vergessen. Wollten die auch was? Ach egal.

Kann dieses mal anders sein. Aber das müssen die erst mal beweisen.

Auch habe ich Probleme mit der Idee eines „freien Marktes“. Lindner propagiert immer wieder, dass man wenig bis keine staatliche Eingriffe in Märkte vornehmen sollte da ja der Markt sich selbst regelt.

Beim Klimaschutz möchte Lindner keine Verbote und keine Einschränkungen und seine freie Lebensweise beibehalten. Find ich gut. Nur wie ist das zu erreichen wenn gerade unsere freie Lebensweise u.a. für hohe CO2 Emissionen verantwortlich ist. Lindner sagt wir müssen das über „Technologie“ lösen. Krasse Idee. Welche meint er damit? Gibt es eine Technologie die heute verfügbar ist und sich für den breiten Einsatz eignet? Ich kenne keine. Das ist halt keine Lösung einfach scheiß Buzzwords rauszuhauen und dann mal laufen lassen.

In einem freien Markt haben Industrie und Wirtschaft kein Incentive sich um Umweltschutz zu kümmern, weil es in der Regel zu höheren Kosten führt, Wachstum bremst und Gewinne schrumpfen lässt.

In den 80ern hatten wir in Europa das Waldsterben, Ursache war saurer Regen und der Regen war sauer weil Abgase (Industrie, KFZ usw.) ungefiltert in die Atmosphäre gelassen wurden. Gefixt wurde das durch Gesetzte. Katalysatoren wurden zur Pflicht, die Industrie musste Filteranlagen installieren. In vielen Teilen der Welt ist das aber heute noch nicht so. Wer mal in Indien oder China war kann ein Lied davon singen.

Anderes Beispiel war/ist die EU Osterweiterung. Diese hat es erst (unbürokratisch) möglich gemacht, dass viele gut bezahlte Industrie Jobs in Länder mit niedrigem Lohnniveau ausgelagert wurden. Diese Jobs sind in Deutschland für immer verloren und haben Horden der ehemaligen SPD Wählerschaften der AFD in die Arme getrieben, da es für die Arbeiter keinen gleichwertigen Ersatz gab.

In der Pflege und bei Paketausfahrern herrscht Personalmangel, wenn Personalmangel herrscht sollten nach der Markttheorie eigentlich die Löhne steigen. Das passiert allerdings nicht, da man versucht billige Arbeitskräfte aus Niedriglohnländern zu „importieren“ welche dann in Subunternehmen ausgelagert sind, die sich oft einen Dreck um Mindestlöhne und Arbeitsstandards scheren. Die ausländischen Arbeiter kennen ihre Rechte nicht und wenn sie aufmüpfig werden schmeißt man sie raus und sucht sich neue. Es gibt hierfür dutzende Beispiele und die 15 Subunternehmen die Tönnies gegründet hat um Leiharbeit und Werkverträge umzusetzen sind nur die Spitze des Eisbergs.

In den 60ern und 70ern war der Rhein ein toter Fluss. Wasserwerke konnten Rheinwasser fast gar nicht zu Trinkwasser umwandeln. Vieh hat sich geweigert die Brühe zu trinken. Damals waren fast 1 Million Tonnen organische Chemikalien (Blei, Chrom, Kohlenwasserstoffe) im Rhein zu finden. Eingeleitet von Papierfabriken, chemischer Industrie usw. Es hat bis in die 90er gedauert bis überall Filter installiert waren bzw. Produktionsmethoden geändert waren. Der Druck kam von Umweltschützern und vom Staat … welches Interesse hätte auch die Industrie gehabt?

Fazit ist für mich .. der „freie Markt“ bringt nur Vorteile für Unternehmen und hoch qualifizierte Fachkräfte. Die haben tatsächlich was davon. Für alle anderen Marktteilnehmer (Geringverdiener, wenig qualifizierte Menschen, Umwelt, Natur) ist er ein großer Stinkefinger.

Kommentare:

  1. Timo

    Moin, meine Überlegungen zur Wahl sind fast bis ins kleinste identisch mit den deinen. Bin mal gespannt, was ich für ein Kreuz setze am 26.09. …

    zum Thema Markt und Klimaschutz: Das Gerede der FDP von Technologie ist sicher nur ein Buzzword und unkonkret, andererseits, kann ich deren Logik ein wenig abgewinnen. CO2 wird massiv teurer -> Kosten für die „bösen“ Unternehmen steigen -> Kluge Ingenieure „erfinden“ eine neue Technologie -> Umwelt und Unternehmen profitieren. Die müssen gar keine Technologie vorgeben, die setzen einfach darauf, dass irgendwer schon klug genug ist eine neue zu entwickeln.

    Ob Waldsterben und Rhein Wasser durch eine „Schadstoffabgabe“ genau so schnell/effektiv verbessert worden wären wie durch Gesetze/Verbote? Keine Ahnung!

  2. Ingmar

    Sehe es größtenteils wie du…lese gerade das Buch „Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung“, in dem Rainer Zitelmann belegt, dass der freie Markt (=Kapitalismus) den Gesamtwohlstand aller anhebt, trotz weiter auseinandergehender Schere zwischen Arm und Reich, siehe Aufstieg Chinas. Der rosa Elefant im Raum ist für mich das Thema Rente, das ne wahre Zeitbombe ist. Hier hat die FDP mit der aktienbasierte Rente bisher den progressivsten Vorschlag gemacht hat, sehe kaum wie sich das Thema auch nur ansatzweise besser regeln lässt ohne das alle sehr viel kräftiger zur Kasse gebeten werden. Unseren Finanzminister ist in dieser Hinsicht ja eher mit Ablehnung und Unkenntnis zum Thema privater Altersvorsorge via Aktien aufgetreten und in meinen Augen unwählbar…

  3. guter-verwalter

    Hallo Mad,

    danke für deine Gedanken. Ich hab ein paar eigene Fragen zu deinen Ausführungen:

    1)
    Was heißt „freier Markt“ eigentlich?
    Wenn man „frei“ als „wirtschaften ohne Rücksicht auf Verluste zum Zweck der Gewinnmaximierung einen kleinen Kaste von privilegierten“ definiert, dann ist das sicherlich schlecht. Diese Art des Wirtschaftens findest du aber sowohl beim Kapitalismus heute als auch beim Kommunismus/ Sozialismus (historische Formen und aktuell, z.B. in Mittelamerika).

    „Freier Markt“ bedeutet aber zu allererst, dass die Verfügungsgewalt der privat erworbenen/ausgehandelten Wirtschaftsressourcen (Anlagen, Rohstoffe, Ideen, Patente, Arbeitsverträge und Bezahlungen) nicht beim Staatsapparat liegt. Denn der Staatsapparat kann nicht in den Willen und die Wünsche jedes Menschen hineinschauen, um dann in Hochgeschwindigkeit zu bestimmen, welche Wirtschaftsgüter der Bürger will und diese dann planmäßig herstellt. Das ist absurd. Der Staat kann nur vorschreiben was produziert werden soll; und die Info für seine Produktionspläne holt er sich allein von der privilegierten Kaste der höheren Staatsbeamten ab, und nicht vom Ottonormalbürger, weshalb Planwirtschaft immer scheitern muss.

    Schau nur mal 30 Jahre zurück, wieviel Altlasten das 100% regierungsgeplante (Mis-)Wirtschaftssystem der UdSSR und der DDR verursacht hat: Uranabfallberge der Wismut in Ostdeutschland (neben den Totenbergen der Urankumpel…), zerstörte Binnenmeere, komplett verseuchte Landstriche, Mao, der die Spatzen in China hat töten lassen, um von der Nutzlosigkeit seines „Großen Sprungs nach vorne“ abzulenken.
    Wer profitierte in diesem System? Nur die Apparatschiks aus KPD, und SED, die sich nach drei kreativen Umbenennungen heute in Deutschland DIE LINKE nennt.

    Der springende Punkt ist doch der:
    Welches politische System lässt es inhärent durch sein Design zu, dass menschengemachte Missbräuche (z.B. Bereicherung der Privilegierten, Umweltzerstörung) eingedämmt werden, ohne die Freiheit des einzelnen Menschen im Übermaß zu beschränken, und mit der Chance die begangenen Fehler möglichst auszuräumen und nicht mehr passieren zu lassen? Das kann nur eine freiheitliche Marktwirtschaft innerhalb einer Demokratie, mit möglichst wenig Interventionen der Staatsorgane bei der Privat- und Produktionsgütern.

    Bei den Allgemeingütern wie Wasser, Luft und Natur ist das anders: Hier können moderate staatliche Anreize sinnvoll sein, wenn sich die Apparatschicks nur nicht wieder selbst bereichern. Das passiert aber immer wieder!
    Warum hat denn der CO2-Emissionszertifikatehandel nicht funktioniert? Weil die Regierung der BRD 16 Jahre lang wegen ihrer Autoindustrie bessere Konditionen haben wollte, als alle anderen Staaten der EU (man will ja schließlich im Berliner Kanzleramt keinen Toyota Prius fahren sondern Audi A8!). Es gäbe noch viele Beispiele…

    2)
    Du darfst die Macht der mit den Staaten verwobenen Zentralbanken nicht außer acht lassen, wenn es um die Vorteile für Unternehmen geht. Den Stinkefinger zeigen die nämlich den Geringverdienern, gepaart mit der Politik!
    Es gilt immer noch der Cantillon-Effekt, wenn es um Geldvergabe geht, welches man beliebig drucken und staatlich verteilen kann. Da hat ein 450€ Jobber verloren, ja. Aber den 450€ Jobber erst geschaffen hat die deutsche Bundesregierung unter rot-grün. Der Markt zog dann nur mit den politischen Gegebenheiten mit. Und jetzt haben wir den Salat mit abgehängten Menschen in unserer Gesellschaft.
    Zuerst hat es die Politik verbockt. Der Markt hat diesen Sch**ßideen nur eine Turbolader aufgesetzt.

    3)
    Klimawandel mit Waldsterben gleichzusetzen passt nicht. Das Waldsterben der 80er war monokausal auf allein die SO2-Emissionen zurückzuführen, was technisch gut lösbar war. Beim Klimawandel haben wir CO2, Methan, Wasserdampf als Hauptplayer; die bekanntesten Metapaper streiten sich immer noch um die Gewichtung dieser drei bei der Größe der Verursachung.
    Und trotzdem: Auch hier ist alles technisch lösbar. Im SABATIER Prozess (bekannt seit 1910) kann man aus CO2 und Wasserstoff Methan herstellen; Power-to-Gas Konzepte binden CO2 ähnlich als neuen Rohstoff.

    Bevor es das HABER-BOSCH-Verfahren gab titelten Zeitungen im 19./20. Jh. auch:
    „In 50 Jahren werden wir alle verhungern, weil der Salpeter aus Chile zum Düngen der Felder zur Neige geht.“
    Wir leben heute alle noch, und Pflanzendünger aus Luftstickstoff kostet fast nichts mehr. Warum? Weil Innovatoren (Haber und Bosch) durch freie Marktteilnehmer – die BASF Ludwigshafen – Geld bekamen, um ihre Forschung zu skalieren. Das deutsche Reich hat da nicht interveniert, oder die Anlage geplant.

    4)
    Industrie hat in einer vernetzten Welt heute immer ein Interesse Umwelt zu schützen, weil sie sonst vom Shitstorm und dem Boykott der Verbraucher in den Bankrott getrieben werden, wenn sie nichts ändern. Brauch ich den Staat der da zusätzlich noch reguliert? Nein, die Nachfrage – oder das Ausbleiben derselben – regelt das Problem selbst. Und das ist 10 mal besser, als wenn ein Apparatschick eine Verordnung dazu erlässt, die eh zu spät kommt und niemals weit genug geht, aber dann alle Wahlfreiheiten des Verbrauchers einschränkt.

    Mal ehrlich: Brauchst du z.B. diesen MIFIID2-Compliance Sh*t als Aktieninvestor? Ich nicht, weil ich nicht blauäugig nach LEHMAN 2009 (was öffentlich verfügbare Informationen sind!) mit Derivaten trade und blöden Bankberatern vertraue. Dieser staatliche Papiertiger macht nur etwas für die Menschen offensichtlich, die zu faul sind sich genau zu informieren…aber alle anderen leiden darunter, weil z.B. Handelsfreiheit eingeschränkt wird.

    So, das wars erstmal mit den rant. Freue mich auf Antwort!

    Dein guter Verwalter

  4. mad

    Lieber Guter Verwalter,

    erste Regel im Blog: keine Kommentare schreiben die länger als mein Beitrag sind 😉

    Vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar!

    zu deinem Punkt 1:

    nein ich halte den Kaptialismus für grundsätzlich okay und lehne Kommunismus, Sozialismus ab. Ich stimme dir zu, das DDR, UDSSR und Ostblock damals Umweltzerstörungen in riesigem Ausmaß angerichtet haben. Ich möchte aber einen Kapitalismus der „fair“ gegenüber allen Teinehmnern ist: Mensch, Tier, Umwelt. Ich möchte einen Kapitalismus bei welchem sich Teilnehmer nicht auf Kosten anderer Teinehmer bereichern. Und ich möchte eine Regierung die nicht nur bis zur nächsten Wahl denkt oder bis zu den nächsten Parteispenden. Ich möchte keine korrupten Politiker die sich von Lobbys bezahlen lassen und die sich die Gesetze von der Industrie schreiben lassen.
    Ich möchte also irgendwie einen „besseren“ Kapitalismus als jetzt 😉

    zu deinem Punkt 2:

    richtig Genosse Schröder hat die Mittelschicht in Angst und Schrecken versetzt, er hat die Voraussetzungen dafür geschaffen was Unternehmen und Industrie nun ausbeuten. Aber die Union hats in 16 Jahren auch nicht rückgängig gemacht und (wie du sagst) der Markt kostet das bis zum letzten aus. Warum sollten Unternehmen nicht auch eine soziale Verantwortung übernehmen? Warum lässt man Schröders Reformen unverändert? Weil eben die Arbeitgeberseite am meisten davon profitiert .. Stichwort Sozialabgaben bei 450 Euro Jobs und Hartz IV nach 2 Jahren .. egal ob du 20 Jahre in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt hast.

    zu deinem Punkt 3:

    Nein .. ich will den Klimawandel nicht mit vergangenen Umweltproblemen gleichsetzen. Ich wollte nur Beispiele aufführen wo es ein (marktfremdes) Eingreifen gebraucht hat um etwas zu ändern. Richtig .. man kann C02 umwandeln .. nur ist der Energiebedarf so groß das wir das nicht hinbekommen .. bzw. aktuell nicht die Energiereservern haben um das wirkungsvoll (global) zu tun. Außer wir ballern alles mit AKWs voll.

    zu deinem Punkt 4:

    Ich war in Indien, Westafrika, Südostasien usw. und habe dort eine Umweltverschmutzung gesehen, das mir die Spucke weggeblieben ist. Möglicherweise hast du Recht im Bezug auf Europa aber nicht für den Rest der Welt. In vielen Ländern gibt es vielleicht Umweltschutzgesetze aber gerade in Indien kümmert das (nach meiner subjektiven Meinung) keine Sau. In Malaysia und Indonesien war alles sichtbare in der Nähe von Städten mit Plastik vermüllt .. ich wüsste nicht mal wo ich da mit aufräumen anfangen sollte.

    Ne .. MIFIID2 ist komplett am Ziel vorbei .. wie so oft .. ich will aber einen smarten Staat haben, der sich nicht an der Nase herumführen lässt und der Entscheidungen konsequent und schnell umsetzt um den Märkten einen Rahmen zu geben.

    Viele Grüße
    Matthias

  5. heyko

    Ich denke in dem Punkt „Lindner sagt wir müssen das über „Technologie“ lösen. Krasse Idee. Welche meint er damit? Gibt es eine Technologie die heute verfügbar ist und sich für den breiten Einsatz eignet?“ bist du vielleicht ein wenig zu streng.

    Ist es wirklich erstrebenswert, dass die Politik dies Wort für Wort vorgibt? Oder sollte das Ziel viel mehr sein, das die Politik sinnvolle Zielvorgaben und Rahmenbedingungen setzt. Und dazu findet man dann doch schon einiges im FDP Wahlprogram. Hier mal ein konkretes Beispiel aus dem Bereich Umweltschutz:

    „Wir Freie Demokraten wollen den EU-Emissionshandel (EU-ETS) schnellstmöglich auf alle Sektoren und geographisch ausweiten. Die Politik gibt vor, wieviel CO2 im Jahr ausgestoßen werden darf. Für den Ausstoß müssen Zertifikate erworben werden, die von Jahr zu Jahr weniger und damit teurer werden. “ (Seite 45)

    Ich bin der festen Überzeugung das in diesem Fall „der Markt regelt“ wenn der Preis steigt wird „der Markt“ andere Lösungen finden. Und dazu gibt’s dann auch das passende Gegenstück:

    „Für uns gilt: Wer künftig CO2 aus der Atmosphäre entfernt und bindet, muss dafür je Tonne gebundenes CO2 ein europäisches CO2-Zertifikat erhalten. Das muss dann wie jedes andere Zertifikat frei am Markt handelbar
    sein, ohne dass sich die Gesamtmenge der jährlich ausgegebenen Zertifikate erhöht.“ (Seite 47)

    Ich bin sicher, dass daraus ganz neue Geschäftsmodelle entstehen werden. Und um so weiter der CO2 Preis steigt um so interessanter könnten auch Geschäftsmodelle werden die heute vielleicht noch nicht tragfähig sind. Dazu sei vielleicht https://think-beyondtheobvious.com/fdp-schuldengeisterfahrer-versus-wirtschaftsinnovator/ empfohlen, klar sehr FDP-freundlich, aber jeder kann sich ja sein eigenes Bild machen.

  6. guter-verwalter

    Hallo Mad, die Zweite.

    Zuerst mal: Sorry, kannte die ungeschriebene Regel mit der Antwortlänge nicht 🙂 Kommt (vielleicht) nicht mehr vor.

    Zu deiner Antwort zu 1):
    Regierungen, die weiter denken als 4 Jahre? Gerne her damit.

    Klappt aber m.E. nur, wenn wir die Diäten + Parlamentiarierpensionen (laut Grundgesetz als reine „Aufwandsentschädigung“ gedacht, nicht als das 2- bis 3-fache des Medianverdienstes!) um ca. 50% kappen, Amtszeiten im Bundestag begrenzen, und einen Cap bei dem Verfügungshaushalt einführen, mit denen die Ministerien hantieren dürfen. Sonst bleibt die deutsche Politik ein Selbstbedienungsladen von allen Lobbys.

    „Bereichern auf Kosten anderer“ heißt aber nicht, dass du unternehmerische Konkurrenz abschaffen willst, sondern ausbeuterisches Verhalten von Produzenten ggü. Menschen…so verstehe ich dich.

    Zu deiner Antwort zu 2):
    Ja, die Hartz Reformen gehören reformiert. Punkt.
    In fact: Jede Gesetzgebung (außer den Grundrechten) sollte nach meinem Dafürhalten nach 10-15 Jahre Laufzeit wieder automatisch auf den Tisch des Parlaments, um diskutiert und reformiert zu werden. Wäre z.B. beim Steuersystem toll: Schaumweinsteuer, Salzsteuer, MwSt, progressiver Einkommensteuersatz…bitte alles auf den Gesetzes-TÜV und nochmal bearbeiten. Dann kommen die Parlamentarier gar nicht auf dumme Ideen mit Lobbyismus, weil was zum Bearbeiten da ist. Man will ja auf Basis geleisteter Arbeit zur substantiellen Verbesserung des Bürgerwohls wiedergewählt werden 🙂

    Zu deiner Antwort zu 3):
    Meine Wette auf die kontroverseste politische Entscheidung in den kommenden 10 Jahren: Ich glaube, der Atomausstieg wird revidiert werden. (Wenn nicht die Chinesen mit ihrem Tokamak-Fusionsreaktor vorher Marktreife erreichen.)

    Die Grundlastfähigkeit des deutschen Energiesektors ist – bei einer voeraussichtlichen Vervierfachung des Bedarfs an Strom bis 2040 r– ein mit erneuerbaren nicht zu machen; dazu zähle ich auch Speicheroptionen (Akkus) nach heutigem Technikstand.

    Hab aber noch keinen Buchmacher dafür gefunden, der die Wette annimmt. 😀

    Zu deiner Antwort zu 4):
    Ja, Asien ist sehr verschmutzt. Ich denke speziell in Indien hat das aber noch immer (!) weltanschauliche/ religiöse Gründe: Trotz rechtsstaatlicher Abschaffung des hinduistischen Kastensystems und trotz kolonialer Geschichte mit dem protestantischen GBR ist Armut dort immer noch ein Fluch der Götter/ Karma, dem man sich nicht annehmen muss, wenn man aus höheren Kasten stammt. Die verschmutztesten Regionen Indiens sind die mit dem höchsten Anteil der kultisch minderwertigen Menschenkasten (Sudra und „Unberührbare“), so verwestlicht sich Indien nach außen hin auch sonst geben mag.
    Daher ist Europa besonders, das stimmt: Die christliche Lehre sah alle Menschen als gottesebenbildlich geschaffen, und daher lohnt es sich Menschen zu helfen. Wenn man das nicht tut – warum auch immer –, zeigt man gleichzeitig, dass man immer noch Sünder ist, der erlösungsbedüftig ist.
    Das ist auch das Fundament der Aufklärung, der Menschenrechte und der Verantwortung des Staates für den Bürger und des Bürgers für sein Umfeld. Und davon zehren wir zum Glück in Europa heute noch. Wo dieses Menschenbild historisch fehlt, ist es bis heute in Sachen Ausbeutung und Umwelt problematischer als anderswo, auch wenn sich global Verbesserung eingestellt hat.

    Grüße!

    Der gute Verwalter

  7. Dagoberts Nichte

    Parteiprogramme sind immer wohlklingend, dann kommen die Koalitionsverhandlungen und selbst auf die dann geschlossenen Komprisse kann man sich ja absolut nicht verlassen, das zeigen alle vorhergehenden Regierungen, egal welche Kombi an der Macht war.
    Daher gebe ich persönlich nichts auf wohklingende Buzzwords in „Sonntagsreden“ und Wahlprogrammen, sondern wähle die Partei, bei der ich am meisten der Meinung bin, dass ich aus ihrer Haltung zukünftige Entscheidungen ableiten kann. Konkrete Versprechen, die vor einer Wahl gegeben wurden, sind kein guter Indikator, wie mit zukünftigen, neuen Herausforderungen umgegangen werden wird. Denn nicht alle Themen der nächsten 4 Jahre lassen sich heute schon durchdenken und im Wahlprogramm niederschreiben.
    Die FDP ist mir bisher jedenfalls nicht durch eine konsistente / konsequente Haltung aufgefallen, eher als Lobby-Fähnchen-im-Wind.

  8. Matthias

    Hallo heyko,

    ja das ließt sich tatsächlich gut im Wahlprogramm .. nur habe ich meine Zweifel (aus der Erfahrung mit der FDP), das sie das auch so umsetzen würden. Mit dem Vorschlag würden auf viele Branchen, die gerade in Deutschland Millionen von Menschen Lohn&Brot geben, massive Kosten zukommen. Beispiel: Da wir immer noch viel Kohle verheizen würde dann der Strom teurer werden bzw. müssten wir ihn aus dem Ausland einkaufen.

    Die Idee ist wie gesagt gut .. nur glaube ich das die Wirtschaftlobby sich quer stellen würde.

    Viele Grüße
    Matthias

  9. Matthias

    Hallo Guter Verwalter,

    eine Reform des deutschen Politikbetriebs wäre wohl notwendig (Problem ist, dass die die es ändern könnten kein Interesse dran haben). Wenn man mit einer Begrenzung von Amtszeiten anfangen würde, gern.

    Korrekt .. ich habe nichts gegen Wettbewerb .. im Gegenteil und ich meinte tatsächlich absichtliche und wissentliche Ausbeutung.

    So ein Gesetzes TÜV mit Wiedervorlage und Due Diligence Check fände ich ne gute Idee!

    Eben das Energieproblem sehe ich auch. Wenn wir nicht weiter steigende Strompreise haben wollen brauchen wir da nen Plan. Nach meinem Verständnis ist Kernfusion aber bis mindestens 2050 keine Option. Selbst wenn man es bis dahin hinbekommt müsste man ja erst mal die Anlagen bauen. Und ich bezweifle das sich ne Partei traut den deutschen Atomausstieg rückgäng zu machen. Am Ende kaufen wir den in Frankreich und zahlen halt die Zeche.

    Wir sind Europa halt „nur“ 500 Millionen .. und da haben sich auch noch nicht alle den Umweltschutz auf die Fahne geschrieben. Afrika, Indien und Südost Asien sind zusammengenommen wahrscheinlich knapp 3 Milliarden und (nach meiner Erfahrung) dort steckt Nachhaltigkeit und Umweltschutz (wenn überhaupt) noch in den Kinderschuhen.

    Viele Grüße
    Matthias

  10. Matthias

    Hallo Dagoberts Nichte,

    > „sondern wähle die Partei, bei der ich am meisten der Meinung bin, dass ich aus ihrer Haltung zukünftige Entscheidungen ableiten kann“

    Das ist ja mein Dilemma .. 🙂

  11. guter-verwalter

    Halle Matthias/ mad,

    ja, leider werden wir (ohne revolutionäre Umwürfe/ Bedrohungen) wohl nicht sehen, dass sich das deutsche Parlament an den nötigen Stellen selbst einschränkt. Die Tendenz des „big state“ Parlamentarismus in GER ist eben Expansion in alle Lebensbereiche, nicht Verzwergung. Obwohl man hier z.B. von der Schweiz und deren starker Subsidarität der Kantone im Positiven lernen könnte.

    Der größte Klima-Brocken, der sich nicht ändern wird (und das auch schon offen gesagt hat) ist China: Zehn Gigatonnen / Jahr (= 28-29% der Welt); und wir in Deutschland streiten über die Reduktion unserer 0,75 Gigatonnen CO2 / Jahr (= 2% der Welt) auf Werte, die nur noch von industriell und sozial desentwickelten Nationen unterboten werden. (Link dazu: https://www.ucsusa.org/resources/each-countrys-share-co2-emissions).

    Mal etwas zur anstehenden Wahlentscheidung 2021:

    Ich habe schon per Briefwahl abgestimmt. Die Erststimme (Person/ Landesliste) war bei mir ein No-Brainer: Ich habe auf abgeordnetenwatch.de geschaut, welcher Kandidat in meinem Landkreis am transparentesten ist, seine parlamentarischen Entscheidungen offenlegt und in seinem Abstimmungsverhalten eine klare Linie zeigt, mit der ich mitgehen kann. Da nur ein Abgeordneter (!) aus einer Partei transparent war und entsprechend meiner Werte abgestimmt hat, hat er die Erststimme bekommen. (Er lag auch fernab aller Randparteien, d.h. DIE LINKE und AfD waren sowieso außen vor.)

    Bei der Zweitstimme habe ich mich konkret auf ein Thema fokussiert, um meine Stimmabgabe zu begründen:
    Die Förderung der finanziellen Unabhängigkeit des Mittelstandes von Staatsleistungen, sowohl für Arbeitende als auch für Rentner (auch hier ohne Einbezug der Parteien vom linken und rechten Rand). Natürlich kann man da nur – wie bei allen Parteien – auf Worteinhaltung nach der Wahl hoffen. Aber meine Stimme war dann ebenfalls einfach gesetzt.

    Man kann sich auch ein komplexes Entscheidungs-Grid nach SAVAGE und NIEHANS anlegen, das war mir aber zu kompliziert und wurde zu ausufernd.

    Gruß!

    Der gute Verwalter

  12. Dirk

    @guter-verwalter

    Ich bin auch technisch begeistert, man sollte jedoch bei den Fakten bleiben. Das Haber-Bosch-Verfahren hat sich mitnichten ‚einfach so‘ durchgesetzt, sondern wurde maßgeblich vom deutschen Reich gefördert. Und die Förderung hatte wenig mit der Düngemittelproduktion zu tun, sondern es ging hier um die Produktion von Sprengstoffen!
    Die Produktion nach Haber-Bosch-Verfahren war viele Jahre lang wirtschaftlich unrentabel, was sich auch an den stark fallenden Produktionszahlen in den 20’er Jahren zeigte. Da wurden wieder günstigere Salpeterimporte bevorzugt.

    Und ja, es gibt schon seit vielen Jahren die Möglichkeit aus CO2 synthetisches Benzin herzustellen. Aber abgesehen von den unmengen Energie, die für eine nennenswerte Produktion benötigt würden, gehen die Experten etwa von einem 2,5 mal höheren Preis pro Liter aus. Selbst wenn man das Energieproblem lösen könnte, wäre eine Produktion aktuell kaum wirtschaftlich machbar. Von den Widerständen, die von den ölfördernden Ländern zu erwarten wären, will ich lieber gar nicht anfangen. Oder glaubst Du, dass diese Länder tatenlos zusehen würden, wenn Ihre Haupteinnahmequelle zusammenbrechen würde!?

    Und warum betrachtest Du beim CO2-Austsoß nur die Länder und nicht die Bevölkerung!? Einigermaßen fair für alle wird es erst, wenn man sich den Pro-Kopf-Ausstoß pro Land ansieht. Und dann sieht es doch plötzlich so aus, dass wir in Deutschland Pro-Kopf deutlich mehr CO2 ausstoßen als China oder gar Indien.
    Nehmen wir mal an, D gelingt es den Pro-Kopf-Ausstoß von CO2 zu halbieren, dann dürfte China den Ausstoß pro Kopf noch deutlich erhöhen um auf das gleiche Niveau zu kommen. Indien dürfte dann seinen CO2-Ausstoß sogar noch verdreifachen.
    Wollen wir das!?

    Aber wenn es einem Land wie Deutschland schon nicht gelingt den CO2 Ausstoß nennenswert zu verringern und dabei den Lebensstandard der Bevölkerung zu halten, können wir uns dann das Recht heraus nehmen anderen Ländern vorgaben machen zu wollen!?

    Gruß
    Dirk

  13. Thomas

    Mal ein paar Anmerkungen:
    1. Etwas mehr beinhaltet der Vorschlag zum Klimaschutz der FDP schon (wobei ich keine Ahnung habe, was genau Lindner dazu gesagt hat). Die kurze Zusammenfassung: Es gibt eine gesetzlich festgelegte, jährlich sinkende Obergrenze, was man noch ausstoßen darf. Die zugehörigen Zertifikate werden gehandelt und somit die Emmisionen hoffentlich dort eingespart, wo es jeweils am günstigsten ist. Hat in anderen Ländern bei anderen Problemen ganz gut geklappt. Ob das in diesem Fall auch so ist, kann ich nicht sagen.
    2. Das Waldsterben wurden in Westeuropa (Kapitalismus) dadurch gelöst, dass es Gesetze zur Luftreinhaltung gab. In Osteuropa (Sozialismus) hat man es viele Jahre später dadurch gelöst, dass die Wirtschaft zusammen gebrochen ist.
    3. Sowohl China als auch Indien setzen viel stärker auf den Staat als das in Europa und den USA der Fall ist. Weniger Wohlstand, weniger Umweltschutz.
    4. Auch das der Kapitalismus Geringverdienern nicht nutzt, würde ich nicht unbedingt unterschreiben. Ich wäre lieber Geringverdiener in Deutschland, als in jedem nicht-kapitalistischen Staat.
    5. Die Verlagerung von Jobs in andere Länder ist für Betroffene schlimm. Umgekehrt ergeben sich für viele Leute aber auch enorme Vorteile. Ich fahre heute einen Ford, der besser ausgestattet ist als jeder Benz vor 30 Jahren. Elektronik ist günstig und Kleidung so billig, dass manche Teile ungetragen in der Tonne landen (was jetzt ein eigenes Problem geworden ist).
    6. Ich würde Deutschland auch nicht nur als Kapitalismus beschreiben. Weitere Bausteine wären Demokratie und Sozialstaat, was in Summe ziemlich gut funktioniert. (Und die in meinem Punkt 2 auch mehr zur Problemlösung beigetragen haben)

  14. Matthias

    Hallo Thomas,

    ich will auf keinen Fall ein System wie in China oder den USA haben. Auch will ich keine „sozialistische“ Republik. Es ist schon ganz gut wie es hier ist .. es könnte aber auch besser sein. Ich will das Politik sinnvoll da eingreift wo der „Markt“ durch seine Mechanismen Dinge für uns alle zu schlechteren für alle macht.

    Beispiele sind wenn Großkonzerne durch Tricks keine Steuern bezahlen. Oder wir haben > 8 Millionen Minijobber in Deutschland .. welche quasi keine Sozialabgaben zahlen und für den Arbeitgeber sehr günstig im Vergleich zu nem normalen Arbeitnehmer sind .. ich will jetzt nicht alle Minijobs abschaffen .. aber ich frage mich u.a. wieviel davon eigentlich in eine richtige Stelle überführt werden können.

    Ich finde Staat sollte beim knirschen im System schneller und effektiver durchgreifen und Gesetze anpassen.

    Viele Grüße
    Matthias

  15. Vroma

    Sehr schöner Post, der auch meine Gedanken zum Thema fast zu 100% beschreibt.

    Sehr tolle Kommentare. Wirklich interessante Diskussion hier.

    Wichtig ist, dass die Regierung aufhört zu denken die Wirtschaft mit vorgegebenen Lösungen lenken zu können.

    Hier wünsche ich mir sinnvolle Regulierung.

    @Mad: Du willst nen smarten Staat? Du bist der Staat. Die Monarchie sollte längst Geschichte sein.

  16. Thomas

    Das es besser sein könnte, sehe ich auch so. Aber ich glaube nicht an schnelle und effektive staatliche Lösungen. Das liegt zum einen an der Funktionsweise einer Demokratie, jeder will gehört werden, dann diskutieren alle und am Ende muss ein Kompromiss stehen. Zum anderen, welche Politiker sollen auf diese Lösungen kommen? Laschet, Kramp-Karrenbauer, Maas, Scheuer, Nahles, Giffey, Baerbock? Ich hab das Gefühl, dass das auch in Zukunft nicht zu tollen Lösungen führen wird.

  17. Thomas

    Weil es gerade auf Twitter so halbwegs populär ist:
    https://www.youtube.com/watch?v=Ahx8pYM3a40
    Von unseren öffentlich-rechtlichen Qualitätsmedien: Die FDP hat die Vorschläge im Wahlprogramm, die den Ausstoß von Klimagasen am schnellsten senken würden. Darum wird die FDP am Ende des Videos abgewertet, weil so ambitionierte Pläne ohnehin nicht umgesetzt werden. Gewonnen haben damit die Linke und die Grünen.

  18. Matthias

    @Thomas

    das Video habe ich auch gesehen .. und wir haben die alte Frage zwischen Wunsch und Wirklichkeit .. die nächsten 4 Jahre werden zeigen wie ernst es den „neuen“ Regierungsparteien ist sowas umzusetzen .. und aktuell sieht es ja für die FDP nicht schlecht aus ..

  19. Felix

    Schau dir mal die Partei Volt an.
    Aus meiner Sicht konkrete Vorschläge für strukturelle Veränderungen, ökologisch, pragmarisch, europäisch.
    Nur so als Alternative 😉

    P.S. stimmt, der Markt regelt einen Scheiß

  20. guter-verwalter

    @dirk:

    Zu Haber-Bosch und Power-to-Gas Konzepten:

    Jede neue wissenschaftliche Grundlagenerfindung ist natürlich zu Beginn unrentabel, klar.
    Beim Dünger hast du recht: Salpeterimporte waren lange Zeit (bis 1932) günstiger als N2-aus der Atmosphäre chemisch zu binden. Leider werden wir historisch aber nie mehr sicher herausfinden können, ob Haber-Bosch dem Salpeter in einem Umfeld freien, friedfertigen Handels der Nationen nicht einfach schon in den späten 1930er/1940er Jahren den Rang abgelaufen hätte. Die Zwischenkriegsperiode und WW2 haben da zu große Verwerfungen geschaffen. Uns fehlen da Daten.

    Beim Power-to-Gas sind wir aktuell an dem Punkt, wo wir gesellschaftlich mit Haber-Bosch vor 100 Jahren waren: Zu teuer, zu komplex, zu unrentabel aus Sicht der Industrie. Noch!
    Ergebnisoffenes Handeln gegen den Klimawandel verpflichtet eine Gesellschaft aber, auch diesen Weg nicht in die Tonne zu kloppen (a la: „E-Autos mit Akkus sind der heilige Gral!“), sondern weiter zu verfolgen.

    Rechne doch mal bitte aus, wie hoch die notwendige Masse des in Akkus zu verbauenden Lithiums sein müsste (Graphit uns Elektrolyte kannst du weglassen), um den LKW-Verkehr in Europa zu 100% zu elektrifizieren, wenn man mit einem 40 Tonner zwischen 500 und 800km Reichweite erreichen möchte; dabei dann aber auch bitte nicht vergessen, dass sich das zulässige Gesamtgewicht des Lastwagens INKLUSIVE Akkumasse NICHT erhöhen darf. Und dann mal bitte noch einfaktorisieren, dass das weniger transporttierbare Nutzlast pro Fahrt bedeutet, ergo, wieder ein mehr an Hin- und Rückfahrten nach sich zieht. Die Gefahren von unlöschbaren Metallakku-Bränden lasse ich mal außen vor.
    Und was ist die Lösung unserer Bullerbü-Politiker zu diesen Szenarien: „Ah, des basst scho!“ oder Verzicht und Verbot. *Logic has left the chat*
    – – – – –

    Zum CO2-Ausstoß Chinas:

    Ich kann dieses Pseudo-Argument zur „Historischen Fairness des CO2-Produzierens“ nicht mehr hören. Europa hat so lange pro Einwohner so viel CO2 produziert, weil sich der technologische Fortschritt eben erst entwickelt hat, über einen Zeitraum von 150 Jahren.

    Zu behaupten

    „Also, um fair zu sein müssen die Chinesen und Inder erst mal genauso viel CO2 produzieren dürfen, wie wir in Europa pro Einwohner es in 150 Jahren gemacht haben.“

    ist genauso blöde, wie in einer Gerichtsverhandlung zu sagen:

    „Also, jetzt dürfen sie als Geschädigter von einem Einbruch erstmal bei 5 anderen Leuten so viel Wertsachen klauen, wie ihnen entwendet worden sind.“

    Das ist nicht fair oder gerecht, das ist liberalistisches Geschwurbel und idiotisch, v.a. wenn man die Technologien HEUTE zur Hand hat, um emissionsfrei Strom zu erzeugen! (Dass old-Europe und v.a. GER sich in Bullerbü-Phantasien verloren hat, und vor 15 Jahren AKWs den Todesstoß versetzte, um dann das Defizit an Strombedarf auf die schnelle durch Kohle und Öl ausgleichen zu müssen, ist eine ganz andere Idiotie…).

    Schau doch mal bitte, wie viele AKWs China und Indien aktuell neu bauen, weil sie die Zahlen zur Energiedichte von Uran und der langfristigen Produktionskapazität eines AKW rechnerisch verstehen (Quelle: https://www.world-nuclear.org/information-library/current-and-future-generation/plans-for-new-reactors-worldwide.aspx). Oder betrachte dir mal die CO2-Emissionskurven unseres Nachbarn Frankreich seit den 1960er Jahren, da lecken sich unsere Bullerbü-Politiker die Finger danach.
    – – – – –

    Lieber Dirk, ich machs kurz:

    Nein, ich möchte nicht mehr CO2 in der Luft, als es für Mensch und Natur gut ist. Aber ich möchte auch nichts verboten bekommen; v.a. dann nicht, wenn politische Entscheidungen einfach revidiert werden könnten, und damit das Problem eines steigenden Strombedarfs und Wunsch nach geringerem CO2-Ausstoß mit einem Klappe zu schlagen wären.
    Entweder gibt sich unsere Politik einen Ruck, revidiert den Atomausstieg, und zeigt sich der Bevölkerung damit endlich als das was sie ist: nämlich nicht unfehlbar; oder, es werden weiter unerreichbar utopische „Garten Eden“ bzw. „Bullerbü“ Ideologien einer elitären Kaste weiterverfolgt, die du und ich als Normalbürger bezahlen sollen.

    Viele Grüße,

    der gute Verwalter

  21. Georg Heininger

    Salut!

    Ich schreibe das erste Mal hier auf diesem Blog (dem ich schon seit längerem interessiert verfolge im übrigen) weil es spannenderweise einmal um Politik geht. Dazu möchte ich einige Gedanken darlegen und zur Debatte auffordern sofern erwünscht.

    Grundsätzlich ist das Problem einmal die derzeitige Parteienlandschaft bzw. grundsätzlich das Parteienwahlsystem. Es gibt in JEDER Partei (auch bei den Linken und der AfD) interessante gute Ansätze. Leider wählt man aber das Gesamtpaket und das ist nicht zielführend. Ginge es anders? Keine AHnung. Dieses Problem konnte ich bis dato nicht lösen wäre aber notwendig! Daher werde ich in den folgenden ein paar Punkte aufführen, welche heute schon anpackbar wären wenn man es wirklich wollte.

    1. Steuern und Abgaben. Mein Vorschlag wäre ein Provisionssystem. Ein solches ist ja gut bekannt bei Handelsvermittlern/vertretern: bahnt man ein Geschäft an und es wird abgeschlossen bekommt man x % Anteil am Umsatz. Der Handelsvermittler ist der Staat. Der Staat stellt eine funktionierende Infrastruktur zur Verfügung, gut ausgebildete Arbeitskräfte, ein gutes Rechtssystem (zumindest eine strukturelle Korruption wie zB in Venezuela ist nicht zu beobachten immerhin), FRIEDEN (wird sehr unterschätzt) und vor allem einen riesigen Binnenmarkt. Der Binnenmarkt in der BRD wird leider sehr oft übersehen. Die Unternehmen in der BRD machten alleine vor 2 Jahren (aktuellere Zahlen hatte ich nicht zur Hand) einen Umsatz von ca. 7 BILLIONEN Euro. Ja! Richtig gelesen. Billionen. Die Zahlen sind keine Schätzwerte sondern aus der Umsatzsteuerstatistik des Finanzministeriums entnommen also reale, belastbare Zahlen.

    Je nach Branche (und Möglichkeiten) ergäben sich Sätze von 0% bis max. 20%. Ergäbe in etwa Einnahmen von rund 1 Bio Euro für den Fiskus bei gleichzeitiger Beseitigung aller anderen Abgaben (braucht man nicht mehr). Keine Steuern auf Gewinne wo die BRD dann automatisch zum Steuerparadies würde allerdings offiziell. Die Presie würden zwar steigen (so um 50% was aber durch die anderen Vorschläge aufgefangen werden würde). Die indirekten Steuern (zB Sozialabgaben) sind für die Unternehmen neben mit einer der grössten Kostenfaktoren. Nicht umsonst heisst es ja, Mitarbeiter wären Kostenfaktoren auf zwei Beinen. Es ist mMn keinen Unternehmen zuzumuten für die Gesundheit der Bürger eines Landes aufzukommen (ausgenommen im Rahmen der Arbeitsschutzgesetze). Ist auch nicht deren Aufgabe. Da alle anderen Abgaben wegfallen sind auch diese Lohnnebenkosten eliminiert womit die Menschen einen starken Kaufkraftgewinn hätten welches sie meist in den Konsum investieren. Um die Kaufkraftzerstörung noch weiter zu unterbninden und das unsägliche H4 Projekt zu beenden führt mich zu Punkt

    2. manchmal rentiert es sich andere Modelle und Visionen aus anderen Ländern sich genauer anzusehen. Aus der MMT habe ich die Jobgarantie herausgenommen. Statt Sozialhilfe oder H4 oä verspricht der Staat jedem Menschen einen Arbeitsplatz zu bestimmten Bedingungen. Kontrahiert der Privatsektor und entlässt Mitarbeiter werden diese vom JG Programm aufgefangen. Arbeit und Diesntleistungen gäbe es genug nur muss man darauf achten, dass sie nicht zu stark mit dem Privatsektor konkurriert denn das würde das Programm ad absurdum führen. Derartiges ist besser geeignet als H4 oder sonstiges. Warum? Die Kaufkraft bliebe einigermassen erhalten (zB 1500 Euro/mtl netto als Fixeinkommen) aber vor allem die Arbeitsfunktion und damit auch die Würde des Menschen bleibt erhalten. Entweder man leistet diverse angebotene Dienstleistungen (arbeitsloser Ing. arbeitet diesmal mit Bezahlung beim THW oder ein arbeitsloser Musiker/Künstler bringt Kindern das musizieren bei etc.) oder er macht eine Ausbildung die mal Sinn amcht (statt sinnbefreiter Bewerbungstrainings vielleicht ein FH Studium?). Wer unbegründet fehlt (also ohne Krankheit udgl.) dem werden die Fehltage vom Gehalt abgezogen. Im Extremfall bis NULL. Da keine Toleranz und man schafft keine DDR/BGE ähnlichen Bedingungen damit. Im Rahmen eines JG Programmes kann man gleichzeitig die bürokratischen Mindestlohndebatten aufbrechen. Man zieht mit einem JG faktisch ein Mindestgehalt und auch Mindestarbeitsbedingungen ein; Unternehmen welche sie unterlaufen bekommen einfach keine Mitarbeiter da diese sonst in das JG ausweichen würden. Es gibt eine gute Website eines australischen Ökonomen der gut darüber referiert: http://bilbo.economicoutlook.net/blog/?s=Job
    Kosten würde das so 6-9% des BIPs…eher wenig wenn man die Vorteile betrachtet auch für die Unternehmen. Das wesentliche sind die Umsatzerlöse – das ist das einzige was interessant ist. H4ler erzeugen kaum solche und ausschliesslich über dem Export lässt sich das Problem nicht lösen. Ist so. Natürlich gibt es Branchen in welche höhere Gehälter usw. nicht durchsetzbar wären. Die Friseure als Beispiel. Nun gut. Wer bei einem Friseur anfängt meldest sich parallel beim JG-Center (nicht mehr das alte Jobcenter) und bekommt einen Kombilohn ausbezahlt um auf die von mir im Grunde favorisierten 2k/mtl Netto zu kommen. Und die braucht es auch wenn man ehrlich ist. Wem nach Abzug aller Fixkosten nur mehr ein niedriger 3 stelliger Eurobetrag bleibt ist schlicht und ergreifend arm und kein guter Kunde. Its simple as that.

    Das nur ein paar Punkte von mir. Wenn gewünscht kann ich auch zum Thema Energie und Wohnen noch etwas beitragen. Bin in keiner Partei übrigens. 🙂

    Mit besten Grüßen

    PS.: Ich hoffe ich bekomme durch die Überschreitung der „Redezeit“ von Mad keinen Ordnungsruf oder schlimmeres… :))

  22. Mad

    Hallo Georg,

    willst du mir mal deine Ideen als Themenblock per Email zusenden?
    Dann würde ich da glatt einen Blogpost draus machen (wenn du das magst).

    Ich finde diesen Ansatz spannend. Wie bist du da drauf gekommen? Gibt es da schon Ansätze?

    Viele Grüße
    Matthias

  23. Georg Heininger

    Salut Mad!

    Entschuldige das ich erst jetzt antworte aber ich war stark eingeplant. Gerne wenn du meine Ideen veröffentlichen willst (kann ja durchaus Berufspolitiker inspirieren eventuell); soll ich sämtliche Ideen übermitteln oder nur hinsichtlich meine 2 punkte die ich mal angesprochen habe?

    Ich bin nicht zwar „alleine“ darauf gekommen aber es gibt zumindest einen der unabhängig von mir so etwas bereits durchgedacht hat. Jörg Gastmann. Ansonsten wäre noch der Gesetzesentwurf der US-Republikaner Kevin Brady und Paul Ryan (BAT – Border Adjustment Tax; wurde von Präsident Trump abgeschmettert weil zu kompliziert) oder auch etwas ähnliches vom Grünen-Politiker Udo Phillip die DBCFT: destination-based cashflow tax.

    Bzgl Jobgarantie wurde derartiges noch nie und nirgendwo flächendeckend eingesetzt – lediglich temporär einigermassen ähnlich für bestimmte Gruppen (zB Arbeitslose über 50 uä) und bnur im Rahmen zeitlich begrenzter Programme diverser Arbeitsagenturen.

  24. Dirk

    @guter-verwalter
    Auch ich bin grundsätzlich gegen Verbote! Ob und wie sich die vereinbarten und vom Bundestag beschlossenen Pariser-Klimaziele in Deutschland umsetzten lassen ist halt die Frage.
    Es ist erfahrungsgemäß schwierig Atomkraft pauschal als ‚emissionsfrei‘ darzustellen. Es mag keinen C02-Ausstoss geben, dafür entstehen halt andere Emissionen, für die es aktuell keine Lösung(en) gibt (z.B. fehlendes Endlager). Von den volkswirtschaftlichen Kosten, die insgesamt für Bau, Unterhalt und Rückbau eines AKW anfallen, sowie den potentiellen Gefahren die sich aus dem Betrieb ergeben, fangen wir dann lieber gar nicht erst an.
    Ob eine Reaktivierung der Atomkraft in Deutschland unter Berücksichtigung der genannten Aspekte eine (Übergangs)Lösung wäre, vermag ich nicht zu sagen.
    Das nun generell unter ‚Bullerbü‘-Phantasien abzutun ändert nichts an der Tatsache, dass eine Reaktivierung der Atomenergie in D politisch aktuell nicht durchsetzbar wäre. Ich sehe selbst in der CDU und der FDP keine einheitliche Linie Pro-Atomkraft mehr. Das mag sich zukünftig ändern, wenn der Bevölkerung das Wasser bis zum Hals steht.
    Um das Thema abzuschließen, ich kenne keine aktuellen Studien, die eine großflächige Nutzung der Atomenergie zur Erzeugung synthetischer Kraftstoffe vorsehen! Das wäre aus rein energietechnischer Sich auch ziemlicher Schwachsinn. Ich erzeuge erst Unmengen von Strom um daraus dann wieder einen synthetischen Kraftstoff zu erzeugen. Ich denke, da sind Akkus als Energiespeicher eindeutig effizienter.

    Welche CO2-neutrale Lösung(en) sich technisch/wirtschaftlich z.B. als Energiequelle für Kraftfahrzeuge durchsetzt, darf im Übrigen gerne der (globale) Markt entscheiden!

    Was hat es mit Deinem Geschwurbel mit den 150 den Jahren Industriezeitalter und dem aktuellen C02-Ausstoss auf sich, entschließt sich meiner Logik!? Es geht gar nicht um das aufaddieren irgendwelcher historischen Emissionen.
    Ich hoffe wir sind uns darüber einig, dass es uns Menschen gelingen muss die Erderwärmung Global zu begrenzen. Da darf man als Vergleichsmaß durchaus den aktuellen Pro-Kopf-CO2-Austoß jedes Landes heranziehen. Und dabei liegt D halt aktuell deutlich über dem Pro-Kopf-Ausstoß von China oder Indien (und deutlich unter dem Pro-Kopf-Ausstoß der USA).
    Wenn es einem Industrieland wie Deutschland nicht gelingt einen Umbau der Wirtschaft in Richtung C02-Neutralität zu gestalten, ohne dabei die Wirtschaft wieder auf ‚Steinzeitniveau‘ herunter zu fahren, dann darf man sich nicht wundern, wenn aufstrebende Länder wie China, Indien in der Zukunft auch nichts tun werden um Ihren CO2-Ausstoß zu begrenzen!
    Die Zeche muss ohnehin die Ganze Menschheit zahlen.

    BTW: Das BVG hat in seinem Beschluss vom 24. März 2021 ganz klar dargelegt, dass die Politik verpflichtet ist, die Lasten, die sich aus dem Schutz der Umwelt ergeben, gleichmäßig auf die Generationen zu verteilen. Wir Leben in D aktuell ressourcenmäßig über unsere Verhältnisse und damit auf Kosten der nächsten Generationen. Daher werden uns Einschnitte in unserem Lebensstil m.E. stärker betreffen (müssen) als nachfolgende Generationen.

    Gruß
    Dirk

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