Dividenden Blog

25. August 2021

Die Rückstellung, der Alptraum für den Aktienkurs – Lang & Schwarz

Dies ist ein weiterer Gastbeitrag von Mike.

Hintergrund ist, dass gestern der Kurs von Lang & Schwarz um über 35% abgestürzt ist. Der Grund war diese Ad-hoc Mitteilung.

Hier die Erklärung von Mike:

Rückstellungen sorgten immer wieder in der letzten Zeit für den Niedergang von Aktienkursen und damit auch für Buch oder reale Verluste bei Anlegern. Allianz und aktuell Lang und Schwarz vernichten in kurzer Zeit große Werte. Deswegen will ich den Bilanzposten hier einmal kurz und oberflächlich beleuchten.

Für die Bildung von Rückstellungen sind die jeweiligen Rechnungslegungsvorschriften zu verwenden. Um es zu vereinfachen werde ich hier nur die Vorschriften nach IFRS heranziehen. Diese sind die Grundlage für die veröffentlichten Jahres und Quartalsabschlüsse von börsennotierten Gesellschaften in Europa.

Es ist wichtig zu wissen, das es ein sogenanntes Matching Principle gibt. Das heißt Aufwendungen und Erträge werden in dem Jahr gebucht, in dem Sie entstehen. Vereinfacht gesagt, bei einer Warenlieferung werden die Kosten für die Warenlieferung in das gleiche Jahr gebucht, in dem auch der Umsatz anfällt. (Spezialfälle außen vor).

Was aber tun, wenn es noch keine Kosten gibt weil keine Rechnung vorliegt? In dem Fall kommt die Rückstellung ins Spiel.

Diese wird gebildet, wenn eine Schuld vorliegt, welche in ihrer Höhe und oder dem Zeitpunkt Ihrer Fälligkeit ungewiss ist. Bevor jetzt jeder Gewerbetreibende auf die Idee kommt, wunderbar, damit kann ich meine Steuerschuld auf 0 rechnen, nein, das geht nicht.

  • Die Schuld muss auch hinreichend sicher sein, bezüglich ihrer Entstehung. In den IFRS spricht man von more likley than not. Also die Wahrscheinlichkeit, das die Zahlung entsteht liegt bei mehr als 50%.
  • Die Kosten für die Rückstellung müssen zuverlässig geschätzt werden können.

Im aktuellen Fall von Lang und Schwarz ist es so, das es einen Zwischenbericht des Finanzamtes gibt, das Steuerunregelmäßigkeiten im Raum stehen. Damit ist das erste Kriterium erfüllt, die Eintrittswahrscheinlichkeit der Schuld liegt bei mehr als 50%.

Ferner werden in dem Bericht die Kosten für die Nachzahlungen mit knapp 61 Millionen Euro angegeben. Lang und Schwarz hat eine andere Auffassung und denkt das nur knapp 45 Millionen gerechtfertigt sind. Damit ist auch das zweite Kriterium erfüllt, die Kosten sind mess- und schätzbar, die Rückstellung ist einzubuchen. Es gelten aber hier die Ansätze, die das Unternehmen für erforderlich hält.

Wenn noch mehr Unregelmäßigkeiten auffallen, dann wird der Betrag erhöht oder auch vermindert werden. Ich empfehle jedem die Adhoc Meldung zu lesen, da lauert meines Erachtens noch Potential. Deswegen wohl auch der heftige Ausschlag. Die Rückstellung betrifft die Jahre 2008 und 2009. Für die Jahre 2007, 2010 und 2011 liegt noch kein Bericht vor.

Eine Rückstellung ist also ein „Schätzposten“ für eine Schuld in der Bilanz und gleichzeitig werden die Kosten in der G&V erfasst und verringern den Jahresüberschuss.

Spannend wird sein, wie die der Sachverhalt in der HGB Bilanz bewertet wird. Anders als bei IFRS wo es um Informieren geht, gilt beim HGB das strenge Vorsichtsprinzip, den dieser ist Basis für Ausschüttung der Dividende und die Steuer. Es könnte sein, das die Schuld hier höher angesetzt wird. Deswegen vielleicht den Jahresabschluß HGB von Lang und Schwarz im Auge behalten. (Im Bundesanzeiger kostenlos einzusehen nächstes Jahr).

Kommentare:

  1. Tom

    Ich finde, dass es hier weniger um das Geld geht sondern darum dass „steuerstrafrechtlichen Ermittlungen,…, gegen verantwortliche Personen der Lang & Schwarz Aktiengesellschaft“ laufen und offenbar so weit fortgeschritten sind, dass Rückstellungen gebildet werden. Wenn diese Personen sich kriminell bereichert haben, ist die Assoziation zu Wirecard halt nicht weit (auch wenn ich nicht wirklich glaube, dass es es hier Parallelen gibt). Das verlorene Vertrauen muss erstmal wieder aufgebaut werden.

  2. Mike

    Steuerstrafrechtliche Ermittlungen gegen Personen sind immer ein beliebtes Druckmittel um Wissensträger zur Mitarbeit zu überreden. Im Normalfall werden diese eben nicht nur gegen die vertretungsberechtigten Organe, wie Vorstand sondern immer öfter auch gegen die Leiter Buchhaltung und oder Leitung Steuer eingereicht.

    Klingt wie in einem billigen Film, ist aber so das du relativ dumm schaust, wenn das Schreiben in deinem Briefkasten ist.

  3. Garnix

    Danke für die Info. Hatte L&S auf der Watchlist und habe heute zu 88 Euro zugeschlagen. Die Staatsanwaltschaften, die früher oder später in Sachen Cum-Ex eigentlich überall mal mit viel Trara aufgelaufen sind, haben meiner Meinung nach nie verstanden, wie das Geschäft etwa von L&S läuft.

    Ich stelle hier komplett auf die ad hoc und folgende – für mich zutreffenden und glaubhaften – Aussagen ab:

    „Diese Beurteilung gründet zunächst auf Stellung und Funktion eines Wertpapierhandelsunternehmens, das in einem regulierten und überwachten Markt unter Marktgerechtigkeit, im Einklang mit der Marktübung, von Handelsüberwachungsstelle, Börsenaufsicht und Finanzaufsicht insofern stets unbeanstandet Wertpapierdienstleistungen erbracht hat, ohne Identität und Umstände seiner Gegenpartei zu kennen.

    Die Beurteilung gründet ferner darauf, dass nach aktuellem Kenntnisstand keine Gesellschaft des Lang & Schwarz-Konzerns wissentlich eine Mehrfacherstattung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag beantragt oder erhalten hat und dass nach Prüfung einer hinzugezogenen Steuerkanzlei keine Absprachen mit einer Marktgegenpartei oder Depotbank über Mehrfacherstattungen identifiziert wurden.“

    Die Rückstellungen sind aus meiner Sicht lediglich eine Vorsichtsmaßnahme. Glaube nicht, dass da letztlich auch nur ein Euro fließt.

    Von daher: vielen Dank für den Anlagetipp. 🙂

  4. Kiev

    @ garnix

    Was Dr. Chan wohl davon hält? So gibt das nichts mit dem Aufbau einer 1% Beteiligung an CTSO. Ich dachte auf Deiner Watchlist ist nur eine Aktie und eventuell noch im Browser einen Link auf Short Float für kleine Spielchen. Habe gerade kein Geld übrig für LUG. Und zum Glück gibt es keine Optionen auf den Titel. Ansonsten finde ich die Aktie nicht schlecht. Müsste einmal die Kennzahlen ansehen.

  5. Garnix

    Hi, Kiev.

    Habe bislang nur ein paar Stücke gekauft. Meine CTSO-Position ist aktuell unberührt. L&S könnte mir als Dividendentitel ganz gut gefallen. Ich halte die avisierten 8 Euro für 2021 (Auszahlung 2022) nachwievor für sehr realistisch. Wenn mir der Kurs noch mal entgegenkommt, überlege ich ernsthaft, so Richtung 3.000 Stück ins Depot zu packen. Damit wären die gröbsten Lebenshaltungkosten zum Schnäppchenkurs abgedeckt. Bei 70 – 75 Euro hätte ich wahrscheinlich direkt zugeschlagen. War aber zu langsam. Und wegen Dr. Chan: die dann übrigen CTSO-Aktien können dann gerne für immer und drei Tage im Depot bleiben.

    Viele Grüße
    Garnix

  6. Kiev

    Hi Garnix,

    Dein Anlage-Stil ist zugegebenermaßen etwas gewöhnungsbedürftig. Das Du mit 8000 L&S Aktien Deine gesamten Ausgaben abdecken würdest. Warum setzt Du hier nicht auf eine breitere Auswahl? Gazprom gab es günstig, RDS, chinesische Infrastruktur, Versicherungen einigermaßen. Und dann gibt es noch die Reihe an Wachstumswerten. Ein Mix über die Zeit würde Dir eine sicherere Rente geben. Dafür sind die Ausschüttungen ein wenig kleiner. Das ist Dir vermutlich egal wenn sich herausstellt, dass L&S doch noch an ihre Rückstellung müssen.

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