Ich bin Software Entwickler. Per se denke ich, das man alle Aufgaben die anstrengend, wiederkehrend und aufwändig sind … aber vor allem keinen Spaß machen … mit Software erschlagen sollte. In meinem Job bau ich für alles, auf was ich keine Lust habe, Tools. So habe ich vor einigen Jahren angefangen einen Aktienscreener zu bauen. Der nennt sich The Skunk, und er darf unter Strafe nur von Menschen benutzt werden die Mat(t)hias heißen. Die Entwicklung hat Spaß gemacht, allerdings bin ich recht bald auf die ersten Probleme gestoßen. Finanzmarktdaten sind teuer. Wenn man nicht dafür bezahlen will, ist man auf eher unzuverlässige Quellen angewiesen. Man „holt“ sich die Daten von anderen Seiten. Wo kein Kläger, da kein Richter.
Fakt ist, dass mein Stinktier (Skunk) zwar eine nette Fingerübung ist, ich die Seite aber eher als Inspiration sehe und niemandem empfehle, sich darauf zu verlassen.
Vor einem Jahr hat dann auch ein NICHT Mat(t)hias das Ding entdeckt. Er hieß Torsten und er hatte ein ähnliches Tool im Kopf. Kurzum: er hat mich kontaktiert und fragte mich, was ich mit meinem Stinktier plane.
Ich hatte keinen Plan.
Zumindest nicht damit. Denn ich betreibe seorch.de und wollte mir kein zweites Tool ans Bein binden. The Skunk ist einfach nur Zeitvertreib (ich habe keinen Fernseher) und wenn das Wetter zu schlecht zum Radfahren ist, hab ich etwas sinnvolles zu tun.
Noch ein Aktienscreener: Ein gewagter Plan
Irgendwann haben Torsten und ich telefoniert. Er erzählte mir, dass er in Kürze seinen eigenen Aktienscreener starten wolle. Ich merkte schnell, dass er in dabei ambitionierter ans Werk ging als ich mit The Skunk. Er hatte sogar vor, für die für Marktdaten zu bezahlen. Auch sein Hintergrund als Entwickler in der Investmentbranche klang nicht schlecht.
Dennoch: ich weiß, wie es bei mir mit seorch.de lief.. Wie wenig das Tool in den ersten Monaten genutzt wurde. Wie ich froh war, wenn überhaupt ein paar Analysen am Tag gemacht wurden. Kurzum, so solches Startup-Projekt kann sehr frustrierend sein. Und finanziell gesehen, kann man sich glücklich schätzen, wenn man mit den Einnahmen die Providerkosten decken kann. Von Marktdaten oder dem eigentlichen Leben ganz zu schweigen. Man muss sich zudem vor Augen halten, dass ein Aktienscreener keine ganz neue Idee ist. Unter unzähligen Anbietern haben unter anderem auch Yahoo und Google einen Aktienscreener im Angebot. Viele davon gibt es seit Jahren und sind etabliert. Nicht wenige zudem kostenlos. Alleine irgendwas auf die Beine zu stellen, dass im Vergleich zur riesigen Konkurrenz so gut ist, dass Benutzer auch noch dafür bezahlen. Das kann doch eigentlich gar nicht funktionieren.
Der Aktienfinder geht live: was dann geschah
Torsten hat dennoch ernst gemacht, seinen alten Job hingeschmissen und wie geplant vor rund einem Jahr den Aktienfinder online gestellt. Seitdem sind wir in Kontakt. Wie viele andere auch investiere ich in Dividendenaktien. Da lag es nahe, den Aktienfinder auszuprobieren. Dabei habe ich dann gemerkt, dass das Tool irgendwie anders und tatsächlich hilfreich ist.
Wie jeder, der etwas Neues wagt, hatte nicht nur ich, sondern auch Torsten Zweifel, ob dem Projekt Erfolg beschieden war. Was dann geschah, hatte ich nicht erwartet. Dass sich einige Benutzer registrieren war nicht überraschend. Die Mitgliedschaft im Aktienfinder ist schließlich kostenlos, und warum nicht auf die Schnelle etwas Neues ausprobieren? Doch schon innerhalb der ersten Woche wurden tatsächlich Umsätze gemacht. Ich gratulierte. Beeindruckt hat mich dann auch bald die Geschwindigkeit, mit der neue Features hinzukamen.
Monat für Monat schmolzen unsere gemeinsamen Restzweifel am Projekterfolg dahin. Ohne Werbung zu schalten, waren irgendwann tausend Mitglieder erreicht. Dann zweitausend und mehr. Fast überflüssig zu erwähnen, dass mit steigender Mitgliederzahl auch die Umsätze zunahmen.
Das „Geheimnis“ seines Erfolgs
Es war ein gewagter Schritt in die Selbständigkeit. Doch ich denke, er hat sich für Torsten ausbezahlt. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es kaum etwas erfüllenderes gibt, als die eigene Vision Wirklichkeit werden zu lassen. Doch zugleich ist es ein hartes Brot. Ich habe mit Torsten gesprochen, welchen Gründe seines Erachtens für den bisherigen Erfolg verantwortlich sind.
Mach etwas, dass Menschen wollen
Das Wichtigste ist die Idee. Es muss etwas sein, dass Menschen wollen, bisher aber nicht bekommen. Jedenfalls nicht in der gewünschten Form. Ursprünglich war der Aktienfinder eine Desktopanwendung, die Torsten nur für sich selbst entwickelt hat. Dann fing er an zu bloggen und stellte sein Projekt als Wachstumsfinder auf seine Seite. Der Wachstumsfinder kam schließlich so gut an, dass Torsten sah, dass hier etwas Größeres entstehen konnte. Denn Anleger wollten in Qualitätsaktien investieren, wurden aber mit hierfür ungeeigneten Kennzahlen von der Stange, Zahlenkolonnen und umständlich zu navigierenden Seiten abserviert.
Da es das Internet schon eine Weile gibt und Finanzseiten gefühlt wie Sand am Meer, klingt es zunächst unglaublich, dass nicht einer der etablierten Player einen „Aktienfinder“ erfunden hat. Im Nachhinein scheint das Neue eben immer offensichtlich.
Eng damit verbunden ist die Bereitschaft, den Benutzern zuzuhören. Das heißt nicht nur die E-Mails lesen und antworten, sondern sich wirklich mit den Anliegen zu beschäftigen. Natürlich kostet das Zeit. Aber wen ein Benutzer ein Problem hat, so haben es auch zig andere. Und auch wenn Torsten selbst ein Benutzer ist, so gehen auch viele gute Ideen auf Anfragen von Mitgliedern zurück.
Konzentrierte Kompetenz auf engstem Raum
Von einer Idee zum Produkt in Eigenregie ohne ein mindestens sechsstelliges Budget. Geht das? Früher nicht, heute schon. Die Möglichkeiten des Informationszeitalters führen dazu, dass Kompetenz eine größere Rolle spielt als Geld.
Zudem ist ein großes Budget auch mit Nachteilen verbunden. Wo viel Geld ist, sind viele Personen. Es gibt niemandem mehr, der so gut wie alles weiß. Dafür aber Schnittstellen und Hierarchien. Ein neues Feature geht von dem für das Produkt Verantwortlichen aus. Der hat natürlich viel zu tun, und gibt die neue Anforderung an jemand anderen ab. Das ist dann der Business Analyst. Der hat mehr oder weniger Ahnung, worum es inhaltlich geht. Arbeitet sich aber gerne ein und gießt das neue Feature nach einigen Rückfragen in eine Spezifikation. Diese wird dann einem Team übergeben, dass schon ganz heiß ist, das neue Feature zu implementieren, weil es ja sonst nichts zu tun hat. Selbstverständlich hat der Business Analyst nicht an alle Fälle gedacht. Es geht nun während der Implementierung zwischen Programmierer und Analyst hin und her, bis das neue Feature schließlich steht. Eventuell wird noch getestet und nickt der Verantwortliche das neue Feature ab. Dann wird ausgerollt und die neue Version auf den Kunden losgelassen.
Man kann sich vorstellen, wieviel Zeit und Geld in solchen Strukturen verloren geht und weshalb es tatsächlich möglich ist, als einzelner Mensch mit ungleich größeren Budgets zu konkurrieren – die entsprechende Kompetenz vorausgesetzt.
Laß dich nicht kleinkriegen
Aus dem Berufsalltag wissen wir, dass es gute und weniger gute Tage gibt. Doch auch wenn etwas schiefgeht, immer bekommen wir als Angestellte am Monatsende unser Geld. Als Selbständiger ist der Automatismus zwischen Zeit und Verdienst aufgehoben. In den ersten Monaten hat Torsten nicht weniger gearbeitet als zuvor als Angestellter. Verdient hat er aber nur einen winzigen Bruchteil des Geldes zuvor. Es gab Anfangs Tage, in denen sich nicht ein einziges neues Mitglied angemeldet hatte. Von Umsatz ganz zu schweigen. Selbständigkeit hat Ähnlichkeiten mit Drogenkonsum. Man steigert sich in etwas hinein, und alles wird intensiver wahrgenommen. Erfolg ebenso wie Misserfolg. Geholfen hat Torsten das positive Feedback der Benutzer, die sofort vom Wachstumsfinder auf den Aktienfinder umgestiegen waren.
Kontakte und ein finanzielles Polster helfen
Ohne finanzielle Durststreckte am Anfang geht es nicht. Ob bester Aktienscreener der Welt oder eine Suchmaschine, die Google alt aussehen lässt. Am Anfang ist die Seite unbekannt. Hier kam Torsten zugute, dass er schon gut ein Jahr zuvor angefangen hatte über Finanzthemen zu bloggen. Dadurch kamen einige Kontakte zustande, die den Start beschleunigten. An dieser Stelle wurde ich gezwungen, Alexander von Rente-Mit-Dividende namentlich zu erwähnen. Zudem hatte Torsten durch seine Zeit als Angestellter bereits ein finanzielles Polster angespart (das er zu einem guten Teil natürlich in Aktien steckte). Dadurch brauchte er keine Investoren, denen beständig Rechenschaft abzulegen ist. Die so gesparte Zeit fließt in das Produkt.
Fazit
Es ist erstaunlich, was man als Einzelner erreichen kann, wenn man an seine Idee glaubt und dem eigenen Weg aller Hindernisse zum Trotz geht. Ich denke, was Torsten innerhalb weniger Monate aus dem Boden gestampft hat, sucht seinesgleichen.
Zwar habe immer noch meinen Skunk .. allerdings vertraue ich den Daten im Aktienfinder weit mehr und nutze ihn auch jedes Mal, wenn ich eine geeignete Aktie suche oder einfach nur inspirieren will.
Hi Matthias,
ich teile deine Meinung, dass das Produkt inzwischen ganz gut ist. Gleichzeitig halte ich die Art des Betreibers der Seite aber für reichlich unsympathisch und wankelmütig. Als Kunden hat er mich jedenfalls für ewig verloren.
Zur Erklärung: ich hatte per Kommentar als „Max“ angeregt, über die Einführung einer Fair Value Berechnung nachzudenken. Die Reaktion darauf kann man hier nachlesen: https://wachstumswerte.net/Blog/von-goldenen-zahlen-und-bauernfaengern.html
Vor dem Hintergrund dass er sich ein paar Monate um 180 Grad dreht, war mir persönlich seine erste Reaktion eine Spur zu anmaßend und doof.
Gruß
Garnix
Hallo Garnix,
hier deine Mail und meine Antwort von damals . Und danach dann mein Kommentar:
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Hallo Max,
danke für deine Anregung. Die Formel[nbsp]
Current (Normal) Earnings X (8.5 plus twice the expected annual growth rate)
kann ich in den Wachstumsfinder rasch einbauen, wenn ich für die Ermittlung der Wachstumsrate den Gewinn – z.B. der letzten 5 Jahre – nehme.
Allerdings halte ich die so ermittelte Zahl für reine Augenwischerei. Je nachdem, ob man für das Wachstum den Umsatz oder den Gewinn nimmt, erhält man ein ganz anderes Ergebnis. Und es macht auch einen großen Unterschied, ob man das erwartete Wachstum vom z.B. Gewinn – übrigens welcher Gewinn: verwässert? nicht verwässert? bereinigt? – der letzten 3 oder 5 oder 10 Jahre ableitet oder ob man die Gewinne gewichtet (deine beiden Quellen nehmen einmal Umsatz und einmal Gewinn). Und warum nimmt die Formel ein KGV von 8.5 und warum multipliziert sie das[nbsp]erwartete Wachstum mit 2 und nicht mit 1.5 oder 3? So oder so halte ich das Ergebnis für Willkür, das im besten Fall ignoriert, im schlechtesten Fall geglaubt wird.
Deshalb verzichte ich im Wachstumsfinder lieber auf solche Scheindaten und überlasse das anderen, die weniger Skrupel haben als ich.
Gruß,
Torsten
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Zu meiner Antwort stehe ich nach wie vor. D.h. die Anwendung der Graham-Formel über jede Aktie ist Schrott. Wenn die Seite dann noch Seriosität vorgaukelt, um so schlimmer. Im Aktienfinder sind weit bessere Ansätze implementiert, um nicht einen, sondern vier unterschiedliche Fair Values auszurechnen. Und das nicht zu einem Zeitpunkt, sondern über die komplette Historie von knapp 20 Jahren inklusive grafischer Anzeige. Und dennoch weiße ich an jeder Stelle darauf hin, dass die Zahlen interpretiert werden müssen und man selbst diese Ansätze nicht auf jede Aktie anwenden kann. Erst vor vier Tagen habe ich zu dem Thema ein Video gedreht:
https://youtu.be/ff-N8MB3lDw
Deine damalige Frage ging leider verloren. HIer kommt sie:
„Hallo,
wäre es denkbar, dass auch der „Fair Value“ für Aktien berechnet und ausgewiesen wird? Quellenbeispiele: https://www.aktienkaufen.com/fundamentalanalyse-kennzahlen-ueberblick/ oder http://www.fair-value-calculator.com/
Viele Grüße
Max“
Hi.
Dass der Fair Value nur eine Facette von vielen ist, die von jedem selber interpretiert werden sollte, kann ich dir gerne unterschreiben – schon weil ich selbst nie etwas anderes behauptet habe. Dass dir das Thema vor meiner Anfrage fremd war, ist auch nicht weiter schlimm. Aber wie du dich in kürzester Zeit zu absolutistischen Urteilen aufschwingst, beleidigend wirst und andere Kollegen (etwa Dr. Peter Klein) angreifst und komische Sachen unterstellst, finde ich nicht so gut. Alles wie immer Geschmackssache – meiner ist es nicht.
Wünsche dir trotzdem viel Erfolg und viele Kunden.
Gruß,
G.
Hallo Garnix/Max/G.,
bei der Berechnung des fairen Werts gibt es keine absolute Wahrheit, wohl aber absoluten Unsinn. Und hierzu gehört den Eindruck zu vermitteln, mit der Graham Formel einen allgemeingültigen Ansatz anzubieten. Wenn mein damaliger Artikel nur einen Leser davon abgehalten hat, sein Geld auf Grundlage einer solche fragwürdigen Methoden zu investieren, hat sich der Ärger gelohnt.
Gruß
Hi,
danke für den Tipp.
Habe mich gerade mal angemeldet und werde das ganze ausprobieren.
Auch schön ein wenig die Geschichte hinter solchen Anwendungen zu lesen.
Gruß Timo