Zum Einstieg ein paar Charts:
In den letzten Monaten haben Growth Aktien schwer aufs Dach bekommen während Value Aktien davon unberührt blieben oder weiter gut liefen. Da ich durch meinen Fokus auf Dividenden kaum Growth Aktien im Depot habe bin ich bisher natürlich fein raus, während viele Growth Investoren (vor allem auf Twitter) eher missmutig in ihre Depots schauen.
Definieren wir mal kurz:
Was ist Growth?
- stark steigender Umsatz (> 10% pro Jahr und mehr)
- Fokus auf Software, Skaleneffekte und neue Technologien
- ggf. keine Gewinne bzw. hohe Verluste
- hohes KGV, hohe Volatilität
- neue Märkte oder disruptive Technologien die Märkte verändern können
- getrieben von der Phantasie der Anleger (z.B. Netflix hat 220 Millionen Kunden, das Potential ist aber 1 Milliarde)
- hohe Bewertung an den Märkten im Vergleich zum Umsatz (
- z.b. Shopify Umsatz: 3 Mrd. vs. Shopify Marktkapitalisierung: 55 Mrd.
Beispiele Growth:
- Tesla, Hubspot, Shopify, Cloudflare, Uber, Coinbase, Spotify, Delivery Hero usw.
Was ist Value?
- stagnierender oder langsam wachsender Umsatz
- keine großen Wachstumserwartungen
- Fokus eher auf etablierte Märkte und Technologien
- nachhaltige Gewinne über viele Jahre
- normales oder niedriges KGV
- normale oder niedrige Bewertungen an den Märkten im Vergleich zum Umsatz
- z.B. Münchner Rück Umsatz: 69 Mrd vs. Münchner Rück Marktkapitalisierung: 31 Mrd.
Beispiele Value:
- 3M, Procter & Gamble, Clorox, General Mills, Pfizer, Target, UPS usw.
Über die letzten 10 Jahre haben Growth Stocks als Ganzes Value Aktien pro Jahr im Schnitt um knapp 8% outperformed (Quelle: Vanguard). Das war natürlich für viele Anleger verlockend.
Frei nach dem Motto: Tu das Geld dahin wo die beste Rendite zu erwarten ist.
Nun steigt die Inflation und viele erwarten, dass auch die Zinsen steigen. Was dazu führt, dass Bonds vielleicht auch bald wieder „sichere“ Renditen abwerfen.
Frei nach dem Motto: Der Spatz in der Hand ist besser als eine Taube auf dem Dach.
Offensichtlich sind geringe Renditen, welche aber sicher sind, für viele Anleger verlockender als volatile Aktien oder Kryptos (Die Kurse der beliebtesten Kryptowährungen haben ebenfalls eingebüßt).
Daneben haben ein paar Superstar Growth Firmen nicht mehr geliefert. Sprich, das Wachstum kommt ins stocken oder stagniert bzw. bestätigt einfach nicht die Börsenbewertung (Netflix).
Ein Umsatzwachstum von 24% bei Spotify hört sich gut an. Wenn man aber die 2,6 Mrd Umsatz gegen den Wert aller Aktien an der Börse rechnet (21 Mrd.) bekommt das eine andere Relation.
Delivery Hero ist ein weiteres Beispiel:
Seit 2017 hat sich der Umsatz verzehnfacht auf 5.9 Mrd.
Der Verlust hat sich dabei allerdings auch mehr als verdreifacht auf 1.1 Mrd.
Die Firma verliert effektiv mit jeder Bestellung Geld.
Vereinfacht:
Wenn wir davon ausgehen, das ne DH Bestellung im Schnitt 20 Euro Umsatz umfasst, dann haben die 300 Millionen Bestellungen geliefert und bei jeder Bestellung 3,60 Euro draufgelegt.
Die Anleger scheinen da auch keinen Bock mehr drauf zu haben und der Kurs ist von 130 Euro auf 35 Euro eingebrochen.
Wachstumsgeschichten, hohe KGVs, extreme Bewertungen an der Börse müssen irgendwann von den tatsächlichen Ergebnissen der Firma eingeholt werden oder die Wachstumsgeschichte muss sich fortschreiben.
Das passiert leider nicht mehr durchgehend.
Vielleicht kann einfach auch nicht jede Firma ein Einhorn sein und/oder die alten, langweiligen Value Aktien (Firmen) lassen sich doch nicht mehr so einfach die Butter vom Brot nehmen und holen auf.
Die Zeiten in welchen Amazon den kompletten Buchmarkt planiert und die etablierten Marktteilnehmer in Schockstarre verharren sind vorbei. Wenn auch spät hat die Old Economy verstanden, dass man sich bewegen muss um nicht im Staub der Geschichte zu verschwinden.
So investieren auch die alten Marktteilnehmer extreme Summen in neue Technologien und versuchen aufzuholen (Disney+, Bosch im IoT Bereich, Siemens bei erneuerbaren Energien, VW bei Elektromobilität .. )
Value Aktien dagegen wurden nie mit viel Kursphantasie gehandelt. Man blieb schön auf dem Boden. Wachstum gern (im Rahmen) aber wo will den Coca Cola noch Brause verkaufen? Wo will McD noch ne Bude aufmachen und wo will Starbucks noch ne Kaffeemaschine hinstellen?
Viele Märkte sind saturiert, man optimiert die Kosten oder versucht teurere Produkte an die Frau zu bringen, Übernahmen usw.
Value ist halt der Spatz in der Hand. Da passiert nicht so viel. Das ist eher langweilig.
Das scheint aber vielen Anlegern mittlerweile wichtiger zu werden.
Seit dem Dotcom Crash habe ich mich von reinen Growth Aktien mehr oder weniger fern gehalten von ein paar Ausnahmen abgesehen. Mein Depot setzt sich zu 95% aus Werten zusammen wo ich keine große Wachstumsstory erwarte oder wo solide über viele Jahre gewirtschaftet wird und Gewinne erzielt werden.
Dabei bleibe ich auch.
Trotzdem ist Growth natürlich nicht tot.
Es gibt dutzende Firmen die dem Growth Sektor zugerechnet werden und immense Gewinne einfahren, riesige Burgräben haben oder dicke Margen realisieren können (Apple, Adobe, Mircosoft usw.) nur muss eben wohl langsam die Bewertung an den Märkten die Fähigkeiten und Marktgrößen dieser Firmen widerspiegeln.
Und nur am Rande ..
Ich habe 10 Jahre zugesehen wie mir Menschen ihr Growth Depot gezeigt haben das mit diversen Tenbaggern im Plus stand und ich mir dann manchmal ein bisschen doof vorkam.
Am Ende des Tages war es für mich aber okay und ich habe nie den Einstieg in Growth Aktien gefunden. Oft kann ich mir einfach nicht vorstellen wo das hinführen soll, oder die Firmen hatten zu dem Zeitpunkt schon eine Bewertung die ich als „zu hoch“ empfand.
Aktuell stehe mit meinem konservativem Depot natürlich toll da. Aber das ist ja nur eine Momentaufnahme. Kein Mensch weiß wie es weitergeht.
Hi Mad,
wichtig ist, dass das Depot seinen angedacht Zweck erfüllt. Das ist bei Dir eben der effektive Cashflow.
Ein paar Growth-Titel tun aber auch dem Value-Depot nicht weh 😉
Hi mad,
auch wenn ich durch meinen passiven Investmentansatz (Index-ETFs) wohl einiges an Growth im Depot habe, habe ich die Logik dahinter – betriebswirtschaftlich gesehen – nie ganz verstanden. Wenn ein Unternehmen keine Dividende zahlt (meist, weil keine Gewinne anfallen), ist mein Investment ja immer nur eine Spekulation darauf, dass mir jemand (Dummes?) meine Aktie in der Zukunft zu einem höheren Preis abkauft. Ich bin daher tendenziell eher von Value überzeugt, wobei gerade Microsoft oder Apple wahrscheinlich inzwischen schon eher dazuzählen im Vergleich zu Spotify, Netflix und Delivery Hero.
Viele Grüße
Jenni
Hi Mad,
im Endeffekt erscheint es mir so, das es wie immer alles eine Frage des Risikos und wie dieses bepreist wird.
Wenn ich das ganze als Wette sehe und sage ich setze zu Beginn auf 5 bis 10 Pferde, so kann es eben sein, das ein oder 2 richtig gut performen. Zum Beispiel Alphabet oder Amazon.
Aber ich sollte eben auch wissen, das die Gefahr des Totalverlustes bei den anderen 8 auch zu Buche steht. Nur das erzählen dir die lieben Fininfluenzer nicht die die Gewinne in die Zukunft extrapolieren. Da muss eben auch ein Realitätscheck her.
Beispiel, Vor X Jahren wurde Vertriebsplanung für eine Software gemacht. Dabei wurden in Deutschland Software für einen Dienstleister hochgerechnet bis auf 5000 Versionen jährlich. Unser Controllingleiter fragte dann, wieviele Anwender bzw. Dienstleister gibt es den dafür in Deutschland, dabei wurde festgestellt das der relevante Gesamtmarkt nur 1.200 Abnehmer waren.
Es führt aber gut vor Augen, das Excel gerne alles hochrechnet, aber irgendwann auch die Daten auf Validität geprüft werden müssen.
Die höheren Zinsen in den USA haben eben einen negativen Einfluss auf die Bewertungsmultiplies. Die Gewinne der Zukunft werden abgezinst auf Stand heute. Je höher der Zins, desto weniger bleibt übrig. Damit ist man nicht bereit soviel für die Firmen zu bezahlen.
Dann kommt dazu der Effekt der Gesamtwetterlage. Bsp. Lockheed Martin. Krieg vorbei, Aktie fällt. Putin marschiert in Ukraine ein. Aktie explodiert obwohl sich an den Fundamental Daten nicht viel geändert hat, bis auf die Aussicht auf neue und mehr Aufträge.
Man sollte auch nicht ausser Acht lassen, das eventuell der ein oder andere gerade Sparpläne auf Aktien oder ETFs kündigt. Auch so kann es zu Mittelabflüssen und Verkäufen kommen.
Es gibt viele Ansätze.
Ich selbst bin mit meinen Value Aktien sehr zufrieden und ärgere mich, das gerade Kraft Heinz und Coca Cola in Ebenen sind, die sich nicht lohnen nachzukaufen.
Ich mag Dividendenausschütter. Klar weniger Growth aber Proof of Concept das Sie Geld verdienen sollten. (Muss in der Cash Flow Rechnung geprüft werden)
Was mich gerade am meisten ärgert sind die Aussagen zu den Sparplänen. Einfach weiterlaufen lassen heißt es da immer. Dabei ist genau jetzt der Punkt, wo vielleicht überprüft werden sollte. Stimmt der Investmentcase für mich noch.
Bei mir ist das Pfizer. Mit knapp 34 eingestiegen. Eigentlich hätte man bei 54 verkaufen sollen, aber ich wollte den Dividendenstrom nicht aufgeben. Auf der anderen Seite wette ich darauf, das in der Nachcovid Ära genügend neue Medikamente da sind, das die Aktie nicht wieder auf 28 abstürzt (wie bereits schon erlebt).
[…] Der Artikel nimmt Bezug auf den Artikel von getmad.de. […]
@Vroma
nein .. sicherlich nicht .. man sollte trotzdem drauf achten was man sich ins Depot legt .. aktuell bin ich eher froh so wenig zu haben
@Jenni
das war auch immer mein Gedanke bzw. bei Firmen wie Adobe die Perspektive, dass sie nen dicken Burggraben und hohe Margen haben und somit zumindest auf dem Papier immer wertvoller werden und sich das ja auch im Kurs zeigen muss
@Mike
danke für deine Sichtweise, das ist natürlich facettierter als mein Dackelblick .. Pfizer habe ich im Sommer 2020 gekauft .. zu etwa 30 Euro .. ehrlich gesagt ohne zu wissen, dass die bei Biontech im Boot sind .. das war wohl Glück. Aber ich behalte die Aktie erst mal .. gerade wegen der Dividenden.