Ich habe die Schule gehasst. Nahezu alle Fächer. Bis auf Geschichte und Gemeinschaftskunde. In Sport war ich schlecht weil ich zu dick war. Mathe war mir zu abstrakt. Deutsch .. naja ihr seht ja wie bescheiden meine Orthographie ist. Chemie hab ich nicht kapiert. Physik siehe Mathe. Sprachen habe ich nicht gelernt solange ich sie nicht täglich sprechen musste. Geographie, Biologie .. okay fand ich ähnlich aushaltbar wie Geschichte hat trotzdem meist nur zu einer Drei gereicht.
Ich war nach der Grundschule auf der Realschule. Die habe ich mit einem Notenschnitt von 3,0 beendet. Damit war keine ordentliche Ausbildungsstelle zu bekommen. Ich bin dann aufs Wirtschaftsgymnasium gegangen (die nehmen einen in BW mit nem Schnitt von drei) und die Geschichte setzt sich fort. In der elften Klasse sitzen geblieben (Mathe und Physik 5) im Jahr darauf hab ich es geschafft durch die 11. Klasse zu kommen. Hab mich mit Ach und Krach durchgequält. Ich habe dann Bio Leistungskurs gewählt, BWL musste ich sowieso machen. Hat mir den Kopf gerettet da ich kein schriftliches Mathe ABI schreiben musste. Dafür aber mündlich. Hatte mir ausgerechnet das ich zwei Notenpunkte (von 15) brauche um nicht durchs ABI zu rasseln. Zwei bekommt man wenn man freundlich grüßt und die Formel an die Tafel schreibt. Hab ich dann gemacht und war wieder draußen. Abi bestanden.
Mit Computern war ich immer schon gut. Ich konnte Rechner zerlegen und zusammenbauen. Im Terminal schlaue Befehle eingeben und Systemdateien so konfigurieren das die neusten Spiele auch auf alten Rechnern liefen. Sonst war ich eigentlich in nichts gut. Problem war nur das es damals dafür keinen Ausbildungsberuf gab bzw. Ausbildungsplätze für nen Fachinformatiker selten waren.
Also Abi mit Note 3 im Schnitt. Übergewicht, lange Haare .. so der ungepflegte Heavy Metal Typ (btw. ne Freundin hatte ich auch nicht). Die Folge war das ich auch nach 40 Bewerbungen keine Ausbildungsstelle bekommen habe. Informatik studieren mit meinen Mathe Noten? Utopisch! Buchstäblich mit den letzten Bewerbungen habe ich dann eine Ausbildung als Industriekaufmann ergattert. Interesse daran? Sicher nicht.
In der Zeit habe ich angefangen mit nem Kumpel die ersten Websites zu bauen. Das war so Ende der neunziger Jahre. Zu Zeiten von Netscape Navigator 4 und Internet Explorer 3/4. Mich hat das fasziniert. Tut es heute auch noch. Aber das war alles damals sehr amateurhaft.
Als die Ausbildung rum war wollte mich die Firma übernehmen. Die haben mir ne Stelle im Versand und in der Buchhaltung angeboten. Aufgrund dieser frustrierenden Nachrichten bin ich ins Marketing marschiert, hab denen erklärt das ihre Website doch ziemlich armselig ist, und vor allem ich der Typ bin der das alles viel besser machen kann.
Zack .. ich hatte den Job und seit dem baue ich Websites. Ich musste ne extrem steile Lernkurve hinlegen da ich eigentlich nur die Basics drauf hatte. Das hat mich aber nicht gestört. Im Gegenteil. Das hat mich mehr .. achwas .. extrem viel mehr motiviert als ne gute Schulnote. So ist das auch noch heute. Es gibt da ein Problem das man mit Software lösen kann? Ich schreie ganz laut „HIER“ und werde zum Wadenbeißer. Bis ich mit nem Tool um die Ecke komme.
Fazit daraus:
Wenn ich was spannend finde, wenn mich was fasziniert dann kann ich es mir beibringen egal wie schwierig es ist und wie lange ich dafür brauche. Ich habe aus Büchern nie viel gelernt. Klar die Basics .. was ist eine Variable, ein Array, eine Schleife, ein Objekt, eine Klasse usw. aber alles weitere habe ich immer nur durch Try and Error gelernt.
Egal was.
Ich lerne nur praktisch, aus Fehlern und aus Erfolgen. Klar ich habe schon jede Menge Sachbücher über alles mögliche gelesen. Diverse Kostolanys (sehr unterhaltsam), Guerilla Investing, Bücher über Aktienanalyse, ETFs, Programmiersprachen, Ernährung, Psychologie, Geschichte. Aber es ist eigentlich nur Unterhaltung. Maximal ne Inspiration mir das genauer anzusehen. Ich kann mir aus den Büchern 98% der Inhalte nicht merken. Das war wahrscheinlich auch der Grund warum ich kein guter Schüler war. Auswendig lernen hielt (und halte ich) für maximal Überflüssig und ich war nie bereit meine Energie darauf zu verschwenden (Auch unter Zwang nicht). Und wenn ich keine innere Motivation gefunden habe war es für die Katz.
Beim investieren war das genau so.
Während der Dotcom Blase 99/00 hatte ich in Union Fonds (u.a. Uni Neue Märkte) angelegt. Die sind durch die Decke (naja was nicht) und ich hielt mich für den Größten. Glücklicherweise habe ich alle Fonds Ende 99 verkauft. 4 Monate bevor der Laden nach Süden ging. Keine Angst. Ich wusste weder was ich tue noch gabs nen wirklichen Grund dafür. Und wie es eben so spielt bin ich viel zu früh wieder eingestiegen.
Nämlich im Frühjahr 2000.
Dort habe ich dann alles gekauft was irgendwie „Online“ und .com im Namen hatte. Um ein paar zu nennen: China Online und nordasia.com .. was das genau war weiß ich bis heute nicht. In den Folgejahren hab ich mir dann an so ziemlich allem die Finger verbrannt was die Finanzbranche sich ausgedacht hat. Knock Outs, Hebelzertifikate, CFDs usw. Sagen wir so .. mit allem was der Derivate Markt hergegeben hat. Manchmal hatte ich zeitweise vielleicht auch mal ein Plus. Das hat mich aber nur dran gehindert frühzeitig zu merken, daß ich kleine Kaulquappe es sicher nicht mit den großen Fischen im Teich aufnehmen kann.
Schlüsselerlebnis war ein Urlaub. Ich saß im Hotel auf Borneo und auf CNN im Ticker liefen gerade die Kurse durch. Der DAX hatte korrigiert und ich hatte Panik weil ich nicht wusste ob meine Stops gezogen hatten. Damals gab es noch nicht in jedem Hühnerhof Netz und ich musste drei Tage warten bis ich funktionierendes Internet fand. Waren drei schmerzhafte Tage. Ich hatte mein Lehrgeld bezahlt und wieder etwas dazu gelernt.
Dann hab ich mich erst mal von der Börse verabschiedet. Da ich aber ein Wadenbeißer bin, hab ich ein paar Jahre später wieder angefangen zu investieren. Solide, konservativ ohne große Renditeerwartungen. Das habe ich dann ausgebaut, meine Strategien angepasst, hier und da optimiert und wenn mal wieder die Lust auf einen Zock kam habe ich das mit weniger als nem hundertstel des mir verfügbaren Kapitals gemacht.
Was Hänschen nicht lernt .. lernt Hans also nimmermehr?
Vielleicht.
Bei vielen Menschen beobachte ich das. Irgendwann entwickeln sie sich nicht weiter. Der Antrieb fehlt und die Neugier die man als Kind hatte. Man hat sich an seinen Alltag gewöhnt. Arbeiten, Kohle kommt rein passt doch alles. Urlaub ist drin, das Häuschen wird abbezahlt und die 1,47 Kinder müssen auch bespasst werden. Wieso also noch etwas Neues lernen oder ausprobieren?
Bei mir ist das nicht so. Ich habe (auch zu meinem Leidwesen) einen Antrieb der mit den Jahren immer stärker geworden ist. Was das ist erzähle ich dann das nächste mal.
🙂 sehr interessant zu lesen und bei vielen Dingen habe ich mich wiedererkannt. Ok, ich hatte nie lange Haare aber sonst kenne ich vieles davon. Auch das Thema Schule, Ausbildung sowie CFDs und Zertifikate 🙂
Ich hab zwar eine Ausbildung als Fachinformatiker Systemintegration gemacht, was mich interessiert hat, bin aber mit der Firma nicht richtig warm geworden. So auch dann die Motivation.
Schön zu lesen das es so viele mit ähnlichen Erfahrungen da draussen gibt.
Gruß Timo
Bei mir gab es damals nur den Datenverarbeitungskaufmann als Möglichkeit .. allerdings keine Ausbildungsstellen in der Nähe.
Ich denke das geht vielen Menschen so wie dir in der Schule. Gut, dass du nicht aufgegeben hast. Das ist etwas was viele Gründer charakterisiert. Wahrscheinlich hast du durch deine frühen Niederlagen mehr dazugelernt als durch Erfolge.
Meine Schullaufbahn stellte sich ähnlich dar. Zum Glück habe ich 2003 trotzdem eine Ausbildung zum Fachinformatiker Anwendungsentwicklung bekommen. Klassisches Studium, pure Theorie, etc. funktioniert für mich bis heute nicht.
Die ersten Infos und ein grober Überblick zu dem Thema reichen meist, um sich praktisch damit auseinanderzusetzen zu können. Zwischendurch werden automatisch weitere Infos, etc. gesucht und verarbeitet. Alles ist ein Projekt.
Ich lese deinen Blog regelmäßig und stimme mit dir häufig überein. Das passiert sonst selten. Außerdem ist deine Offenheit bzgl. Finanzen, Lebenslauf und Gedanke erfrischend. Mach weiter so!
Hi Lars,
danke für deinen Kommentar.
Wenn ich was Neues ausprobiere installiere ich mir meist die Software direkt auf nem Server und fange an damit rumzuspielen .. so entwickelt sich bei mir dann langsam das Verständnis dafür 😉
Hi,
Die Überschrift hat mich gleich bewogen den Artikel zu lesen. Ich glaube Du stellst die Ausnahme da – auch meine Vorkommentatoren, in ganz ganz vielen Fällen scheint der Spruch nämlich doch zu stimmen.
Habe unter ganz ähnlicher Überschrift, aber gaaanz leicht anderem Inhalt auch schon mal einen Artikel geschrieben: https://meinefinanziellefreiheit.com/2017/04/27/finanzbildung/
Viele Grüße
FF